Mittwoch, 7. April 2010

Verwirklichung und Freiheit bei Dogen (Aus Kap. 3, Genjo koan)


Dogen sagt: „Die Wahrheit Buddhas überschreitet ursprünglich Überfluss und Mangel und daher gibt es Leben und Tod, gibt es Täuschung und Verwirklichung, gibt es (normale) Wesen und Buddhas.“
Nishijima Roshi kommentiert dieses Zitat folgendermaßen: „Die buddhistische Welt ist eine reale wirkliche Welt und daher existiert alles so wie es ist und überschreitet Überfluss und Mangel.“

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich darüber klar zu sein, dass Begriffe wie Überfluss und Mangel subjektive Bewertungen darstellen, aber nicht die Wirklichkeit selbst sind. Die Wirklichkeit des Lebens, die genau Leben ist, geht über Denken, Emotionen und Beobachtungen hinaus, so wichtig diese in bestimmten Situationen auch sein mögen. Der Tod ist genau Tod und Täuschung ist genau Täuschung; es gibt sie wirklich und sie können durch den realisierten und gelebten Buddhismus erkannt, erfahren und überwunden werden.
Die Verwirklichung ist also eine reale Tatsache und keine Illusion, wie notorische Skeptiker vielleicht glauben. Gewöhnliche Menschen sind genau gewöhnliche Menschen und Buddhas sind genau Buddhas, denn Buddhas und erleuchtete Menschen gibt es ganz real und sie sind historisch verbrieft. Der Buddha-Dharma ist keine nur ausgedachte Theorie und geglaubte Lehre, sondern die Wirklichkeit selbst! Wir erfahren sie genau und eindeutig, wenn wir in der Wirklichkeit angekommen, also erwacht beziehungsweise erleuchtet sind.

Die zentralen Aussagen des Buddhismus lauten: Es gibt diese Wirklichkeit des Universums und des Lebens wahrhaftig, die von Gautama Buddha zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte gefunden wurde und die er Erwachen nannte. Viele Menschen mögen daran zweifeln, dass es eine unumstößliche Wirklichkeit gibt, dass es erwachte Buddhas gibt und viele Menschen noch nicht erwacht sind, aber dass Erwachen möglich ist. Verwirklichung ist im Gegensatz zur Täuschung keine Vorstellung oder reine Theorie. Wie Dôgen häufig im Shôbôgenzô beschreibt, wird diese Wirklichkeit bei der Zazen-Praxis und durch das Handeln im gegenwärtigen Augenblick intuitiv ganzheitlich und klar erfahren. Diese Erfahrung überschreitet unser unterscheidendes Denken und die sinnliche Wahrnehmung der Form und des Materiellen, also die erste und zweite Lebensphilosophie, die durch die ersten beiden Sätze des obigen Dôgen-Zitats charakterisiert werden.
Die Wirklichkeit ist nach Dôgen und Nishijima Roshi unauflösbar mit dem Handeln im Augenblick verbunden.