Dienstag, 25. März 2014

Der Geist ist die ganzheitliche Praxis


Bei Dōgens Verständnis des Buddha-Geistes wird deutlich, dass es der ganzheitlichen buddhistischen Praxis bedarf, damit wir das ethisch und moralisch richtige und dadurch natürliche Handeln in unser Leben integrieren und verwirklichen. Er knüpft an den großen Meister Daikan Enō (Hui Neng) an, der als junger Mann ein einfacher Holzsammler war und den das Diamant-Sūtra, das er zufällig auf dem Markt hörte, spontan angesprochen und tief erfasst hatte, sodass er sich entschloss, den Buddha-Dharma zu studieren und einen Meister zu suchen.

Der maßgebliche Satz aus dem Diamant-Sūtra lautet:
„Während (der Geist) keinen Aufenthaltsort besitzt, sollten wir trotzdem bewirken, dass der Geist entsteht.“

Den Geist gibt es also wirklich, aber nicht isoliert und unveränderlich in unserem Schädel und Gehirn. Nach den neuen Erkenntnissen der Gehirnforschung ist unser Gehirn viel flexibler als früher im Westen angenommen: Prof. Spitzer sagt: Das Gehirn ist das, was wir machen! Was wir nicht machen, sind wir nicht. Ohne Übung entwickelt sich nichts im Gehirn oder verkommt sogar das, was wir schon einmal konnten.

Dōgen betont in diesem Zusammenhang, dass der Buddha-Geist zum Beispiel als Zäune, Mauern, Ziegelsteine und Kiesel existiert, in Wechselwirkung mit uns selbst und unserem Gehirn: „Alle Buddhas der drei Zeiten erfahren dieses als ‚Er kann nicht erfasst werden‘.“

Aber der Geist ist kein abgegrenztes Ding, das wir einfach erfassen können. Denn wir sind integriert im umfassenden dynamischen Netz des Lebens, dies sei der Buddha-Geist selbst und ist die umfassende Wirklichkeit der drei Zeiten.

Für Daikan Enō war entscheidend, dass es einen solchen umfassenden Geist wirklich gibt. Wir sollten dafür sorgen, dass er sich entwickeln kann, obgleich er keinen räumlichen Aufenthalt hat. Alles dies sei die Bedeutung von „(der Geist) kann nicht erfasst werden“. Dōgen erklärt:

Der Zustand des Geistes, der nicht erfasst werden kann, ist die Lehre von achtzigtausend Dharma-Toren durch alle Zeiten von allen Buddhas der zehn Richtungen.“

Damit schlägt er einen beeindruckenden Bogen von den herkömmlichen, meist konkretistischen Vorstellungen eines abgegrenzten dualistischen Geistes, der seinen Sitz irgendwo im Menschen oder vielleicht im Universum haben soll, zu den wirklichen Prozessen der Welt und des Lebens. Der Geist als erwachter handelnder Geist ist die umfassende Wirklichkeit selbst und weist keine dualistische Trennung zwischen Ideen, Materie, Handeln und Erleuchtung auf. Kurz gesagt ist er der Buddha-Geist.