Montag, 21. Januar 2008

Wichtige Regeln für die Zazen-Halle

Meister Dôgen hatte bei seiner Reise nach China die überaus große Bedeutung der Zazen-Praxis für den buddhistischen Weg kennengelernt und brachte diese Erfahrung mit, als er anschließend nach Japan zurückkehrte.


Kloster Tokein, Innenplatz



In der damaligen Zeit gab es bereits in vielen chinesischen Klöstern eine Zazen-Halle, in der diese Übungspraxis durchgeführt wurde, und Dôgen realisierte eine solche baulichen Einrichtung anschließend auch in Japan. In der Nähe von Kyoto wurde 1233 unter seiner Leitung die erste große Zazen-Halle in Japan überhaupt errichtet.
Man muss sich die damaligen Klöster fast wie eine kleine Stadt vorstellen, mit den folgenden sieben Hauptgebäuden: Buddha-Halle, Dharma-Halle, Zazen-Halle, Küchengebäude, das große Eingangstor, das Badehaus und die Toiletten. Die Zazen-Halle lag meistens im Westen und war ausschließlich der Zazen-Praxis vorbehalten. Daher bestimmte Dôgen auch, dass der Raum für die Dharma-Vorträge und der Leseraum hiervon getrennt wurden. Die Zazen-Halle war durch halb hohe Zwischenwände unterteilt, die sich rechts und links von dem Hauptgang befanden. Vor diesen Zwischenwänden und an den Außenwänden waren die Plätze für die Zazen-Praxis angeordnet, die aus Holzpodesten bestanden, auf welche die Sitzkissen (Zafu) gelegt wurden. Alle Mönche saßen auf diese Weise vor einer Wand zur Zazen-Praxis, und wie Dôgen in seiner Einführung zum Zazen (Fukan Zazengi) ausführt, sollen die Augen halb geöffnet und auf die Wand gerichtet sein.

Dôgen nannte die Zazen-Halle die "Halle der schweren Wolke" und verfasste etwa sechs Jahre nach deren Errichtung die Verhaltensregeln, die sich aus der Erfahrung der ersten Jahre ergeben hatten. In diesem Kapitel 5: "Regeln für die Halle der schweren Wolke" (Ju-undo shiki) stellte Dôgen die Regeln sehr praxisbezogen zusammen.
Das Kapitel beginnt wie folgt:

"Diejenigen, die den Willen zur Wahrheit haben und sich (von dem Verlangen nach) Ruhm und Reichtum gelöst haben, dürfen in diese Halle eintreten. Die Unaufrichtigen sollten nicht in diese Halle kommen".

Wie schon in anderen Kapiteln des Shôbôgenzô ist das Streben und ehrliche Bemühen um Wahrheit auf dem Buddhaweg für Dôgen der zentrale Ansatz, um überhaupt sinnvoll beim Buddha-Dharma voranzukommen. Dazu gehören Ausdauer und auch ein starker Wille. Das Streben nach Ruhm und Profit muss abgelegt werden, weil sonst Körper und Geist nicht frei für den Buddha-Weg sind. Dies gilt natürlich besonders für die Zazen-Praxis selbst, bei der "Körper und Geist" fallen gelassen werden müssen und bohrende Ideen nach Ruhm und Geld dazu führen, dass der Geist nicht befreit werden kann. Es gab leider immer wieder Zeiten, in denen die buddhistischen Klöster größeren Reichtum ansammelten, sodass der Abt und die Mönche sich mit den Gedanken nach materiellem Vorteil und Profit beschäftigten und diese Ideen den eigentlichen Buddha-Dharma verdrängten. Auch das Streben nach Ruhm, also die Glorifizierung des Ego, spielt bei Menschen nach wie vor eine große Rolle und auch Buddhisten sind hiervon überhaupt nicht unabhängig.

Freundliches und kooperatives Verhalten, wie Dôgen es an anderer Stelle im Shôbôgenzô klar beschreibt, wird dann von den Gedanken und dem Handeln nach eigenem Ruhm beiseitegeschoben, und häufig entsteht aus anfänglicher guter Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Buddhisten ein Wettbewerb der Verdrängung, weil jeder den Ruhm für sich beansprucht und zumeist sogar fest davon überzeugt ist, dass er selbst das Wichtigste und Maßgebliche bei der Arbeit eingebracht hat. Daraus müssen sich zwangsläufig Unaufrichtigkeit und aggressives Verhalten ergeben, und das Misstrauen überwuchert immer mehr den eigenen Geist.
Dôgen sagt weiter:

"Wenn wir jemanden fälschlich zugelassen haben, sollten wir ihn nach gründlicher Überlegung dazu bringen, fortzugehen.“

Er hält es also für besser, frühzeitig dafür zu sorgen, dass ungeeignete Mönche und Laien ausgeschlossen werden, um Schaden von der Gruppe fernzuhalten. Ein solcher Beschluss sollte jedoch nicht voreilig und unüberlegt getroffen werden und sollte auch nicht von persönlicher Feindschaft geprägt sein. Es ist interessant, dass Dôgen dabei ein demokratisches Modell der Gruppe für sinnvoll hält, bei der alle Mitglieder und die Mönche möglichst einstimmig eine solche Entscheidung fällen und wir können sicher annehmen, dass es ohne Erniedrigung und Verletzung für den Ausgeschlossenen vor sich gehen sollte. Dôgen sagt weiter:

"Wenn ihr den Willen zur Wahrheit erweckt, befreit ihr euch augenblicklich von Ruhm und Reichtum".

Er sieht also einen deutlichen Gegensatz zwischen dem Willen und Weg zur Wahrheit einerseits und der Abhängigkeit von Ruhm und Reichtum andererseits. Ruhm ist der Bereich der Ideen und Vorstellungen, und Reichtum ist der Bereich des Materialismus und angestrebten Genusses. Beide lösen sich bei dem ehrlichen Streben nach der Wahrheit auf. Umgekehrt können wir sagen, dass beim Überwiegen der Gedanken an Ruhm und Profit kein ehrlicher und starker Wille zur Wahrheit vorliegen kann. Dies ist im Übrigen auch ein gutes Kennzeichen, um einen wahren Lehrer und Meister zu finden, wie wohlklingend die Begründungen für dessen eigenen Vorteil auch sein mögen.

Besonders in Zeitaltern von starkem Materialismus, wie gegenwärtig im Westen und zunehmend auch im Osten, sind diese Aussagen von großer Aktualität. Nishijima Roshi betont hierbei, dass die beiden Lebensformen und Philosophien des Idealismus und Materialismus ungeeignet sind, wenn man sich ernsthaft auf den Weg des Buddha-Dharma begibt. Oft wird jedoch bei westlichen Menschen überhaupt keine Alternative zu diesen beiden Lebensformen gesehen, sodass dann auch der Glaube an eine umfassende Wahrheit des eigenen Lebens verloren geht. Die Gier nach Ruhm erwächst aus Idealismus und Ideologien und die Gier nach Profit aus dem Materialismus. Auf beiden Wegen sind jedoch eine innere Befreiung und ein Gleichgewicht überhaupt nicht zu erreichen.
Dôgen sagt weiter:

"Da nun jeder von uns dem (Etwas) begegnet, das man nur selten trifft und dasjenige praktiziert, das schwer zu üben ist, dürfen wir auf keinen Fall unsere Aufrichtigkeit verlieren. Diese (Aufrichtigkeit) wird der Körper-und–Geist der buddhistischen Vorfahren im Dharma genannt und sie wird zweifellos Buddha und Nachfolger im Dharma werden".

Dôgen betont hier wie viele große Meister, dass es selten ist, dass jemand dem wahren Buddha-Dharma und einem wirklichen Meister begegnet, der diese großartige Lehre klar und unverzerrt an die Schüler weitergibt. Dies gilt natürlich für uns im Westen in besonderem Maße, da der Buddhismus hier noch wesentlich schwieriger anzutreffen ist als in den buddhistischen Ländern Ostasiens. Wenn man also den Zugang zum Buddhismus gefunden hat, kommt es darauf an, dies klar zu erkennen und dabei zu bleiben, um mit zunehmender Aufrichtigkeit und Klarheit auch seinen eigenen Lebens-Weg immer besser zu erkennen.
Dôgen sagt weiter:

"Jetzt ist genau die Zeit, um (zu praktizieren), als wenn (ein Feuer) auf unserem Haupt gelegt wird und wir dies unverzüglich löschen. Wir sollten daher alles vergessen, was uns ablenkt, was den Egoismus unterstützt und die Ichsucht vergrößert.“

Durch die Übungspraxis in der Zazen-Halle und auch beim täglichen Praktizieren zu Hause haben wir eine bewährte Übungsform zur Verfügung, die seit Gautama Buddha, das heißt über 2.500 Jahre weitergegeben wurde und den „Härtetest“ bestanden hat. Wenn das Haar brennt, hat es keinen Sinn, lange darüber zu philosophieren, woher das kommt und was das bedeuten soll, sondern man muss dieses Feuer unmittelbar löschen und damit das Übel abstellen, um nicht zu Schaden zu kommen.

Dôgen erläutert dann, dass in der Zazen-Halle ausschließlich diese Übungspraxis des wahren Zazen durchgeführt werden sollte und dass dort z. B. keine Schriften studiert werden. Dazu gibt es einen gesonderten Raum, und Dôgen empfiehlt, dass man sich an ein helles Fenster setzt, um die Sutra zu studieren und gut lesen zu können. Auch die Zeremonien und rituelle Handlungen sollen ebenfalls in einem anderen Raum stattfinden und nicht in der Zazen-Halle.

Im Folgenden geht Dôgen auf mögliche Konflikte zwischen den Mönchen ein und schließt zunächst körperliches Schlagen ganz aus, wenn jemand z. B. deutliche Fehler begangen hat. Wer Fehler macht, muss sie sie wieder gut machen und muss wohl auch meist bestraft werden. Auch psychische Verletzungen sind unbedingt zu vermeiden, die oft schwerer zu heilen sind als körperliche Angriffe und in der modernen Gesellschaft sicher häufiger als körperliche Kämpfe stattfinden. Wie Dôgen auch an anderer Stelle herausarbeitet, ist Freundlichkeit oder sogar Sanftmut gegenüber feindlich handelnden Menschen notwendig, um nicht aus dem Buddha-Dharma herauszufallen. Keinesfalls darf das subjektive Gefühl, dass man benachteiligt wird oder dass einem etwas genommen wird, dazu führen, aggressiv und verletzend zu reden. Dôgen sagt hierzu:

"Wenn zwei (Mönche) sich streiten, sollten beide in ihr Quartier zurückgeschickt werden, weil sie nicht nur ihre eigene Praxis für die Wahrheit wesentlich behindern, sondern auch andere erheblich stören."

Beim Streit verlieren die Menschen ihr inneres und äußeres Gleichgewicht, und auch Buddhisten können leider bei bestimmten Anlässen erstaunlich aggressiv und bösartig werden und wollen den anderen bekämpfen und möglichst besiegen. Dies entsteht natürlich besonders bei Misstrauen und Missgunst, z. B. beim Streben nach Ruhm und Überlegenheit. Die Menschen sehen dann meist wie Dämonen aus und auf keinen Fall wie Helden. Dôgen sagt am Ende dieses Kapitels:
"Ihr solltet erbitten, dass euer ganzes Leben friedlich und ungestört verlaufen solle und euer Bemühen um die Wahrheit nicht aus Ehrgeiz (und Ruhmsucht) erfolgt".

Weitere Informationen: Grundprinzipien des Shôbôgenzô von Nishijima Roshi