“Ist es in der korrupten Welt dieses fortgeschrittenen Zeitalter überhaupt noch möglich, den Zustand der wirklichen Erfahrung und Erleuchtung zu realisieren, wenn wir (Zazen) praktizieren?“
Diese Frage zielt auf eine bestimmte Theorie innerhalb des Buddhismus, dass es verschiedene Zeitalter der Blüte und des Niedergangs im Buddhismus gebe. Danach gibt es drei Zeitperioden „wahres, nachahmendes und spätes, degeneriertes Zeitalter“. Dōgen gibt dazu folgende Antwort:
„Die Theoretiker haben sich selbst mit solchen Begriffen und formalen Festlegungen gefangen. Aber in der wirklichen Lehre des großen Fahrzeugs sagen wir, dass alle diejenigen, die praktizieren, den Zustand der Wahrheit erlangen, und zwar ohne Unterschied zwischen dem richtigen, nachahmenden und späten Dharma.“
Derartige theoretische Diskussionen und Vorstellungen haben mit der Wirklichkeit im Hier und Jetzt nicht viel zu tun und sind – auch nach Nishijima Roshis Ansicht – häufig nur geschickte Ausreden dafür, dass man nicht intensiv nach der Wahrheit strebt und praktiziert. Außerdem kommt darin ein bestimmter Kultur-Pessimismus zum Ausdruck, der immer mal wieder modern ist und in bestimmten Gruppen und Sekten gepflegt wird.
Heute neigen nicht zuletzt die Medien dazu, Informationen negativ zu färben, offensichtlich in der Annahme, ihre Medienprodukte besser verkaufen zu können. Damit werden in der Folge vor Allem die Werbe-Einnahmen erhöht. Die Werbung gaukelt uns im Gegensatz dazu eine wunderbare Welt vor, an der wir teilnehmen können, wenn wir bestimmte Produkte kaufen. Ein grotesker Gegensatz und überhaupt kein Gleichgewicht!
Dōgen bezeichnet die Theorie, dass in einem späten, sogenannten degenerierten Zeitalter die buddhistische Wahrheit nicht mehr erlangt werden könne, als völlig unsinnig. Die Methode des Zazen sei unabhängig von jedem historischen Geschehen, durch sie erlange man direkt das Gleichgewicht und damit die erste Erleuchtung.
In dieser Formulierung Dōgens steckt gleichzeitig die Aufforderung, dass wir direkt und unmittelbar handeln, Zazen praktizieren und uns dem Buddha-Dharma widmen sollen, statt uns vielleicht mit theoretisch verbrämten Ausreden davor zu drücken. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Zen-Meditation umso wichtiger ist, je schwieriger ein Zeitalter ist. Zazen hilft uns gerade in Krisenzeiten, seien es gesellschaftliche oder persönliche Krisen.