Mittwoch, 15. Juni 2016

Die Buddha-Natur im Reinen Land



Der buddhistische Studienverlag hat in einem Themenschwerpunkt-Band das Thema „Buddha-Natur“ verschiedener buddhistischer Schulrichtungen zusammengeführt und dadurch einen ausgezeichneten Überblick ermöglicht. Diese buddhistischen Übertragungslinien sind im Westen, auch in Deutschland, angekommen und beeinflussen sich gegenseitig: „Dies hat zum Beispiel den Theravâda-Buddhismus dazu bewegt, sich mit dem Begriff ‚Buddha-Natur‘ auseinanderzusetzen, obwohl er mit seinem Sinngehalt in klassischen Lehrgebäuden des Theravâda allenfalls in Anfangsgründen präsent war.“[i]

Das heißt, im frühen Buddhismus gab es zwar gewisse Ansätze zur Buddha-Natur, aber erst im Mahâyâna, im tantrischen Buddhismus (siehe Diamant-Sûtra) und im Zen wurde diese buddhistische Lehre ausgebaut.

Ähnlich wie im Zen versteht die buddhistische Schule des Reinen Landes die Buddha-Natur vor allem durch Praxis, aber anders als im Zen auch durch Glauben, und betrachtet sie „weniger als theoretisches Lehrgebäude“[ii]. Der Buddhologe Roland Berthold zitiert in diesem Zusammenhang aus einem bekannten Sûtra:

Klares Licht ist dieser Geist, er ist durch hinzukommende Befleckungen befleckt“ und „wird von hinzukommenden Befleckungen losgelöst“.[iii]

Das klare Licht wird als die ursprüngliche wesentliche Essenz des Menschen und der Welt erfahren und verstanden und mit der Buddha-Natur weitgehend gleichgesetzt. Nach dieser Lehre können die Befleckungen der Buddha-Natur gereinigt werden; eine solche Befreiung ist mithilfe der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtfachen Pfades möglich. Wenn die Befleckungen verschwunden sind, verwirklicht sich zudem die Leerheit.

Zusammenfassend nennt Berthold die folgenden drei wichtigen Merkmale der Buddha-Natur in der Lehre des Reinen Landes:

1. Sie sei die Essenz und die ursprüngliche Fähigkeit aller Wesen, Buddhaschaft zu erlangen.
2. Ontologisch betrachtet sei die Leerheit des Ich identisch mit der Buddha-Natur und der Erkenntnis der „eigentlichen Nichtzweiheit von Prinzip und Erscheinung“.
3. Die Verwirklichung der Buddha-Natur sei ein Heilungsprozess und die Überwindung des Leidens, also ein soteriologischer Vorgang: „Das Vertrauen in die Existenz der Buddha-Natur ist dabei die Grundlage, den Weg des Buddha zu gehen.“[iv]

Wesentlich für die buddhistische Linie des Reinen Landes sind der Glaube und das tiefe Vertrauen in die Identität des wahren Selbst mit Buddha, oder anders ausgedrückt: die Wesensgleichheit der Buddha-Natur mit dem Selbst. Diese Lehre kam von China nach Japan und erlangte seit dem 13. Jahrhundert erhebliche Bedeutung. Sie besagt, dass es uns durch den tiefen Glauben an Buddha und die eigene Buddha-Natur möglich sei, das Dharma-Tor zu durchschreiten und alle Ich-zentrierten Vorstellungen zu überwinden.

Dazu bedarf es einer klaren Entscheidung und festen Entschlossenheit, den Weg Buddhas zu gehen. Dann werde sich die Sichtweise des eigenen Selbst, der anderen Menschen und der ganzen Welt grundlegend verändern.





[i] Wachs, Marianne (Hrsg.): Buddha-Natur, Themenschwerpunkt. In: Form ist Leere – Leere Form, S. 7
[ii] ebd., S. 31 ff.
[iii] ebd., S. 39
[iv] ebd., S. 42