Der
buddhistische Studienverlag hat in einem Themenschwerpunkt-Band das Thema
„Buddha-Natur“ verschiedener buddhistischer Schulrichtungen zusammengeführt und
dadurch einen ausgezeichneten Überblick ermöglicht. Diese buddhistischen
Übertragungslinien sind im Westen, auch in Deutschland, angekommen und
beeinflussen sich gegenseitig: „Dies hat zum Beispiel den Theravâda-Buddhismus
dazu bewegt, sich mit dem Begriff ‚Buddha-Natur‘ auseinanderzusetzen, obwohl er
mit seinem Sinngehalt in klassischen Lehrgebäuden des Theravâda allenfalls in Anfangsgründen
präsent war.“[i]
Das
heißt, im frühen Buddhismus gab es zwar gewisse Ansätze zur Buddha-Natur, aber
erst im Mahâyâna, im tantrischen Buddhismus (siehe Diamant-Sûtra) und im Zen
wurde diese buddhistische Lehre ausgebaut.
Ähnlich
wie im Zen versteht die buddhistische Schule
des Reinen Landes die Buddha-Natur vor allem durch Praxis, aber anders als im Zen auch durch Glauben, und betrachtet sie „weniger als theoretisches Lehrgebäude“[ii].
Der Buddhologe Roland Berthold
zitiert in diesem Zusammenhang aus einem bekannten Sûtra:
„Klares
Licht ist dieser Geist, er ist durch hinzukommende Befleckungen befleckt“ und
„wird von hinzukommenden Befleckungen losgelöst“.[iii]
Das
klare Licht wird als die ursprüngliche wesentliche
Essenz des Menschen und der Welt erfahren und verstanden und mit der
Buddha-Natur weitgehend gleichgesetzt. Nach dieser Lehre können die Befleckungen der Buddha-Natur gereinigt
werden; eine solche Befreiung ist mithilfe der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtfachen Pfades möglich. Wenn die
Befleckungen verschwunden sind, verwirklicht sich zudem die Leerheit.
Zusammenfassend
nennt Berthold die folgenden drei wichtigen Merkmale der Buddha-Natur in der
Lehre des Reinen Landes:
1. Sie sei die Essenz und die
ursprüngliche Fähigkeit aller Wesen, Buddhaschaft zu erlangen.
2. Ontologisch betrachtet sei die Leerheit des Ich identisch mit der
Buddha-Natur und der Erkenntnis der „eigentlichen Nichtzweiheit von Prinzip und
Erscheinung“.
3. Die Verwirklichung der Buddha-Natur
sei ein Heilungsprozess und die
Überwindung des Leidens, also ein soteriologischer Vorgang: „Das Vertrauen in
die Existenz der Buddha-Natur ist dabei die Grundlage, den Weg des Buddha zu
gehen.“[iv]
Wesentlich
für die buddhistische Linie des Reinen Landes sind der Glaube und das tiefe
Vertrauen in die Identität des wahren Selbst
mit Buddha, oder anders ausgedrückt: die Wesensgleichheit der Buddha-Natur mit
dem Selbst. Diese Lehre kam von China nach Japan und erlangte seit dem 13.
Jahrhundert erhebliche Bedeutung. Sie besagt, dass es uns durch den tiefen
Glauben an Buddha und die eigene Buddha-Natur möglich sei, das Dharma-Tor zu
durchschreiten und alle Ich-zentrierten
Vorstellungen zu überwinden.
Dazu bedarf es einer klaren Entscheidung und festen
Entschlossenheit, den Weg Buddhas zu gehen. Dann werde sich die Sichtweise des
eigenen Selbst, der anderen Menschen und der ganzen Welt grundlegend verändern.