Sonntag, 5. Juni 2016

Buddhas Suche nach der Wahrheit

(Nishijima Roshi)

Gautama Buddha befand sich im Zwiespalt: Weder der Brahmanismus, die Religion, die zu seinen Lebzeiten vorherrschte[i], noch die philosophischen Lehren der Materialisten und Skeptiker führten ihn bei seiner Suche nach der Wahrheit weiter. In dieser Situation praktizierte er intensiv Zazen-Meditation. Nach einiger Zeit, früh am Morgen, sah er den klaren Morgenstern am Himmel und erkannte, dass die Welt hier und jetzt wunderbar ist: „Die Erde und alle Lebewesen sind wunderbar“, so steht es in den Sûtras.

Diese totale und vorbehaltlose Annahme aller Dinge, so wie sie sind, gaben Gautama Buddha die sichere Grundlage, auf der er sein Denken aufbaute und formte. Wenn wir die vielen buddhistischen Sûtras studieren, die über Buddhas Verwirklichung geschrieben wurden, kommen wir zu dem Schluss, dass er diesen Zustand erreichte, weil er sich auf das Handeln im gegenwärtigen Augenblick, auch als Meditation, bezog.

Ganz gleich, welche Fehler wir in der Vergangenheit begangen haben, wir können nicht zu dem vergangenen Augenblick zurückkehren, um dann die Dinge richtig zu machen, auch wenn wir den Fehler bedauern. Gleichzeitig können wir niemals verlässlich in die Zukunft sehen, ob wir zum Beispiel unseren Traum einmal verwirklichen werden.

Aber wenn wir erkennen, dass das Leben auf das Handeln zentriert ist, sehen wir, dass wir nur wirklich in der Gegenwart existieren können. Wir können niemals in die Vergangenheit zurückkehren, und wir können niemals bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt in die Zukunft gehen.

Dies ist die Essenz dessen, was Gautama Buddha lehrt – die wirkliche Existenz im gegenwärtigen Augenblick. Und das ist die zentrale Aussage Dôgens zur Verwirklichung der Buddha-Natur. Gautama Buddha erkannte klar, dass es der einzig realistische Weg zu leben ist, wenn wir genau im gegenwärtigen Augenblick das Beste tun, das wir können.

Solange wir auf diese Weise leben, gibt es nichts, was wir fürchten müssen und was uns Sorgen bereiten könnte. Das Universum bewegt sich vorwärts unter dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Alles was wir in unserem Leben tun können, besteht darin, ganz in der Gegenwart zu handeln und zu leben. Dies ist Gautama Buddhas Lehre.

Wenn wir diese Sichtweise haben, ist nichts in unserem Leben unmöglich. Obgleich die Probleme kommen und gehen, werden sich die Dinge mit aufrichtigem Handeln und der Entfaltung von Ursache und Wirkung verbessern. Aber wir müssen uns auch in glücklichen Zeiten anstrengen, diesen guten Zustand aufrechtzuerhalten, denn alles ist im Wandel. Die Veränderungen müssen wir als Chance begreifen, anstatt zu resignieren. Wenn die Menschen auf das Handeln fokussiert sind, können sie alle ihre Probleme lösen.

Wir sind sehr glücklich, dass Gautama Buddhas Lehren durch die Jahrhunderte zu uns gekommen sind, und wir können seine große Güte fühlen.

Ich ermutige die Menschen, Buddhas Lehren zu studieren und ihnen mit ihrer ganzen Energie zu folgen, um seine Lehre des Handelns zu verwirklichen!




[i] Seele, Katrin: „Das bist Du!“Das Selbst“ (âtman) und das „Andere“ in der Philosophie der frühen Upanisaden und bei Buddha