(G. W.
Nishijima und Yudo Seggelke)
Kodo Savaki
Meister
Dôgen war zunächst von seiner China-Reise enttäuscht, aber er hoffte, einen
wahren buddhistischen Meister zu finden, um das zu erlangen, was er so sehr
anstrebte. Am 1. Mai 1225 traf er dann Meister Tendô Nyojô. Er erkannte in ihm schlagartig seinen wahren Meister
und studierte und praktizierte Buddhismus unter seiner Leitung. Die Tatsache,
dass er mit diesem Meister zusammentraf, ist von größtem Wert für den Buddhismus. Bevor Dôgen ihm begegnet war,
praktizierte er Zazen mit der Vorstellung, dass man auf ein Ziel gerichtet und mit
großer Anstrengung die Erleuchtung erringen müsste. Die buddhistischen
Lehren Tendô Nyojôs unterschieden sich vollständig von dem, was Dôgen bis dahin
kennengelernt, aber auch, was er in China erwartet hatte. Meister Tendô Nyojô sagte
mit großer Bestimmtheit:
„Zazen zu
praktizieren bedeutet nur, Körper und Geist fallen zu lassen. Es ist nicht
notwendig, dass wir Räucherwerk anzünden, Buddhas Namen rezitieren, unsere
Sünden bekennen oder überhaupt Sûtras lesen. Aber wenn wir richtig sitzen, ist
alles schon von Anfang an erreicht worden.“
Diese
Worte bedeuten, dass die Zazen-Praxis das vegetative Nervensystem ins
Gleichgewicht bringt und dass wir das einengende
und verzerrende Bewusstsein von Körper und Geist verlieren. Wenn wir nur
Zazen praktizieren, verwirklicht sich schon von Anfang an einfach und direkt die Freiheit vom eingeengten
Bewusstsein des Körpers und Geistes. Diese Erkenntnis ist einer der wichtigsten
Kernpunkte der buddhistischen Lehre überhaupt. Die willensmäßige Konzentration auf das Ziel der Erleuchtung ist also völlig sinnlos und zerstört gerade die
wahre Zazen-Praxis. Das hatte übrigens schon Buddha bei seine beiden ersten
spirituellen Lehrern erfahren.
Zazen
ist nur das ruhige Handeln des Sitzens im gegenwärtigen Augenblick selbst. Wir
müssen daher in aller Klarheit sagen, dass beim Zazen das Ziel, die praktische
Methode und das eigentliche Handeln beim Sitzen vollkommen zu einer Ganzheit verschmolzen und damit ein
Ganzes sind. Es ist sehr wichtig, dass wir Zazen einfach und ohne Verspannung
als die erste Erleuchtung
praktizieren, und wir müssen uns überhaupt nicht darum sorgen, wann die zweite Erleuchtung kommen wird.
Die
erste Erleuchtung ist, Zazen im gegenwärtigen
Augenblick zu praktizieren, indem wir Körper und Geist fallen lassen. Die
zweite Erleuchtung ist das vollständige Verständnis der buddhistischen Lehre
auf der Grundlage des ehrlichen täglichen Lebens als Mensch, der den Buddhismus
praktiziert. Dabei ist der wichtigste Kern die Zazen-Praxis selbst, wie sie
hier beschrieben wird und die wir in dieserKlarheit Meister Dôgen verdanken.
Er
sagt zur Ganzheit von Zazen-Meditation und Ergebnis der Freiheit:
"Wenn nur irgendeine kleinste Abweichung existiert, dann wird diese
Lücke der Abweichung (zum Beispiel durch Gedanken) sehr viel breiter und
übertrifft sogar den ungeheuren Abstand zwischen Himmel und Erde. Wenn sich
daher der kleinste Unterschied irgendeiner Art (zwischen Praxis und Ergebnis
beim Zazen) ereignet, müssen wir wegen der Abweichung unsere geistige und
körperliche Ausgeglichenheit vollständig verlieren.
Obgleich wir stolz auf unser klares Verständnis und reich mit klugen Entscheidungen
ausgestattet sind, obgleich wir noch zusätzliches ausgezeichnetes Denken und
dessen Wahrheit erlangen, obgleich wir den Geist klären, den Willen ertüchtigen
und den Himmel großartig durchstoßen und den Kopf in den Bereich des denkenden
Handelns bringen, misslingt es uns vollkommen, unseren Körper tatsächlich in
den Bereich des wahren Handelns selbst zu bringen."
Und weiter: "Wenn
ihr beständig dieses Etwas des Unfassbaren praktiziert, wird sich das
Schatzhaus der Juwelen auf natürliche Weise öffnen, und es wird für euch leicht
möglich sein, sie zu empfangen und zu verwenden – genau so, wie ihr es wollt.“