In Herrigels weltbekannten
Buch: "ZEN in der Kunst des Bogenschießens" heißt die berühmte
Stelle:
"Da, eines Tages, nach einem
Schuss, verbeugte sich der Meister tief und brach den Unterricht ab. ´Soeben
hat Es geschossen´ rief er aus , als ich ihn fassungslos anstarrte". Und
weiter: Dann "konnte ich die jäh aufbrechende Freude nicht
unterdrücken".[1]
Der Autor, Philosoph von
Beruf, beschreibt hier seine Erlebnisse von einem Japan-Aufenthalt, als er die
Philosophie des Zen studieren wollte. Seine japanischen Freunde überredeten ihn
zum Glück, eine praktische Zen-Kunst zu erlernen. Denn mit einseitigem noch so
klugen Denken käme man beim Zen nicht wirklich weiter, ohne Praxis und Üben ginge
es nicht. Das ist zweifellos richtig. Ich bin fest überzeugt, dass die
geschulte Körper-Klugheit einer Zen-Kunst und das unglaubliche Potential des
befreiten Unbewussten unser Leben gewaltig aktivieren, befreien und
emanzipieren können. So eröffnen sich ganz überraschende neue Wirklichkeiten:
Das Es hätte dann auch in deinem Leben geschossen. Das Es, das ist "die jäh aufbrechende
Freude". Warum sollte man diese Lebensfreude
des Es denn auch unterdrücken?
Das Es ist
kein Ding und keine Idee, nicht Subjekt und nicht Objekt und schon gar nicht
die dualistische Trennung vom sogenannten Ich, dem Bogen, dem Pfeil, der Luft,
dem Ziel usw.. Das Es ist die dynamische Wechselwirkung des gemeinsamen Entstehens (pratitya samutpada) und der gemeinsamen
Entwicklung, wie Buddha sagte: Das ist die zentrale Kraft auf dem Achtfachen
Pfad der Befreiung.
Meister Dogen hat dem Es oder Etwas ein eigenes Kapitel in seinem fulminanten Werk Shobogenzo gewidmet: "Was ist das Etwas, das
uns jäh begegnet, jenseits von Denken und Wahrnehmung?" [2]Dieses
Es oder Etwas sei die Wahrheit und Wirklichkeit selbst und nach der
buddhistischen Lehre etwas ganz Selbstverständliches und Natürliches. Dogen
sagt dazu:
"Deshalb mag das Etwas
die Soheit der Klänge und Formen sein. Die Soheit von Körper-und-Geist mag das
Etwas sein. Und die Soheit des Buddha mag das Etwas (oder Es) sein".
Denn diese Soheit sei frei und leer von Ideologien, Doktrinen, Vorurteilen, Absolutismen, Extremen
usw..
Wir wissen aus der modernen
Gehirnforschung, dass Freude der beste "Lern-Turbo"[3] ist
und nicht Tragik, Krise und Drama, wie manche uns vielleicht im Westen glauben
machen wollen. Das wäre das falsche Erbe der griechischen Kultur und
Philosophie. Und Herrigel war ja ein westlicher Philosoph, der sicher im festen
Wissen der Überlegenheit westlichen Denkens nach Japan reiste aber dort etwas fundamental Neues lernte: Die
aufbrechende Freude des klaren Augenblicks der größten Spannung und zugleich
der Entspannung des Loslassens: Und dann fliegt der Pfeil auf seiner Bahn, genau mit deiner Energie und Genauigkeit
des Augenblicks von Spannung-und-Loslassen.
In einem Video zum
japanischen Bogenschießen Kyudo wird
die Gehirnspannung eines alten Bogen-Meisters und eines amerikanischen guten
Bogenschützens gezeigt: Genau im Moment des
Schusses sinkt die Gehirn-Spannung beim Japaner deutlich ab und steigt markant beim Amerikaner. Der Meister hat sicher dabei die tiefe Freude des wahren Bogenschusses, über den Amerikaner wird nichts
berichtet.
Und was sagt Nietzsches Zarathustra dazu: "Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinauswirft, und die Sehne seines Bogen verlernt hat, zu schwirren"! Lassen wir also die Sehne schwirren und den Pfeil fliegen.
Das japanische Bogenschießen Kyudo zu erlernen, ist ein sehr langwieriger und komplexer Prozess. Daher versuchen wir gerade das meditative und dynamische Zen-Bogenschießen auch mit westlichen Bögen zu verwirklichen. Die Handhabung dieser Bögen lässt sich für uns im Westen viel zügiger erlernen.[4] Der umfassende ganzheitliche Zen-Körper-und-Geist kann sich dabei natürlich auch verwirklichen.
Das japanische Bogenschießen Kyudo zu erlernen, ist ein sehr langwieriger und komplexer Prozess. Daher versuchen wir gerade das meditative und dynamische Zen-Bogenschießen auch mit westlichen Bögen zu verwirklichen. Die Handhabung dieser Bögen lässt sich für uns im Westen viel zügiger erlernen.[4] Der umfassende ganzheitliche Zen-Körper-und-Geist kann sich dabei natürlich auch verwirklichen.
Dann
gilt: "Es hat geschossen"!
[1] Herrigel, Eugen: Zen in der Kunst des
Bogenschießens, Fischer Taschenbuch Verlag 2005, S.51
[2] Seggelke, Yudo J.: ZEN Schatzkammer, Einführung in
Dogens Shobogenzo, Kap. 29, DONA-Verlag Berlin, Bd. 1, S. 261 ff.
[3] So der Gehirnforscher Manfred Spitzer
[4] Vgl. :Österle, Kurt: Zen im Weg des Bogens, Verlag
Via Nova, 2016