(Aus meinem neuen Buch: "Sternstunden des Buddhismus")
Die fundamentale Bedeutung der Achtsamkeit erläutert Buddha neben der
Meditation durch die Arbeit eines
Handwerkers, eines Drechslers.[i] Dabei
ist wichtig, dass das Handeln des Drechslers eine ganz praktische und von ihm häufig ausgeführte Tätigkeit ist und er
nicht in der Abgeschiedenheit eines Klosters arbeitet. Hier zeigt sich eine
enge Verbindung zum Zen-Buddhismus, der das praktische
Alltagshandeln zum Beispiel bei Handwerkern im Hier und Jetzt in Klarheit
und sozialer Verantwortung in den Mittelpunkt stellt.
So erklärte ein berühmter Zen-Meister: „Erleuchtung ist Feuerholz tragen und Wasser schöpfen.“ Eine andere Formulierung mit ähnlicher
Bedeutung lautet: „Ein Tag ohne Arbeit
ist ein Tag ohne Essen.“ Diese Aussage wird einem alten Meister
zugeschrieben, dem die Mönche im Kloster die Werkzeuge für die Arbeit auf dem
Feld und im Garten weggenommen hatten, weil sie meinten, er sei zu gebrechlich,
um noch arbeiten zu können.
Der Meister hat daraufhin abgelehnt zu essen, ist also in den Hungerstreik getreten, um klarzumachen,
dass er nicht bereit war weiterzuleben, ohne seinen Anteil an der im Kloster
anfallenden Arbeit beizutragen. So musste man ihm sein Werkzeug zurückgeben.
Gewiss konnte er nicht mehr so viel leisten wie die jungen kräftigen Mönche.
Aber ist das wichtig?
Zurück zum Gleichnis vom Drechsler, in dem Buddha sagt:
„Gleich wie
ihr Mönche ein geschickter Drechsler oder Drechslergeselle, wenn er lang
anzieht, erkennt: ‚ich ziehe lang an‘, wenn er kurz anzieht: ‚ich ziehe kurz
an‘."
In der gleichen Weise solle man in der Meditation beim Atmen vorgehen
und bewusst und klar beobachten. Das Handeln steht dabei im Vordergrund, und
der Geist, die Beobachtung, läuft gewissermaßen mit; dadurch wird das Handeln selbst
bewusst und Geistes-klar. Handeln und Geist sind sich in einer harmonischen aktiven Wechselwirkung und sind nicht voneinander zu trennen. Dadurch entstehen Glücksgefühle. Das ist der wahrer Flow!
Buddha sagt nicht,
dass der Wille und das Bewusstsein allein
steuern. Das gilt auch für den Drechsler, der eine
gründliche Ausbildung durchlaufen haben muss, um seine Arbeit präzise ausführen
zu können. Wenn er unachtsam ist, kann er sich schwer verletzen! Es geht darum,
sein Handwerk durch gründliche und andauernde Übung so weit zu vervollkommnen,
dass die Feinkoordinierung mit offenem, achtsamem Geist ohne Schwierigkeiten, Ungenauigkeiten
und mit innerer Befriedigung erfolgt. Der Geist ist dabei weder ein Störfaktor,
noch ist er umgekehrt durch Ehrgeiz, Ängste, Doktrinen oder Ich-Zentriertheit
in der Konzentration beeinträchtigt: Der Geist "fühlt sich wohl".
Buddha spricht auch von unbewussten Bereichen des Geistes, die für ein
sinnvolles und erfülltes Leben zusammen mit der Achtsamkeit wichtig sind. Dies
leuchtet beim Drechsler sofort ein: Die meisten seiner feinmotorischen
Steuerungen laufen unbewusst ab und haben sich im Lauf des Übungsweges im
neuronalen Netz immer feiner ausgebildet. Oder buddhistisch ausgedrückt: Alle
fünf Komponenten des Menschen (skandhas)
sind aktiv und miteinander harmonisch vernetzt.
Das Wichtige ist also die
gute Wechselwirkung von bewusster Achtsamkeit, unbewussten Steuerung, ruhigem dynamischen Gleichgewicht und erlernter Fähigkeiten. Wie wir aus der Gehirnforschung wissen, werden dabei die
speziellen Teilsysteme immer weiter trainiert und verfeinert. Und wer ganz bei
seinem Tun weilt, empfindet eine tiefe, fast unerklärliche Freude, er ist zur
Ruhe gekommen: Ruhe im Flow der bewussten
Bewegung: Angst und Stress sind verschwunden.