Dienstag, 20. Oktober 2020

Deine buddhistische Mitte: Falsche Ideologien und Fake News kommen zur Ruhe

(Aus meinem neuen Buch: Sternstunden des Buddhismus, Band 3)



Meister Nāgārjuna sagt in dem grandiosen Werk des Mittleren Weges: Wenn nun die Befreiung und Emanzipation des Menschen gelingt, kommen Unwissenheit und Verblendung zur Ruhe. Sie sind beendet! Und Extreme sind unwahr. Dann kommt die rechte Dynamik der heilsamen formenden Kräfte des Menschen in Gang. Die unheilsamen und hemmenden formenden Kräfte der Extreme sind dann überwunden und wirkungslos. Einseitige Behauptungen sollten wir vermeiden. Der Mensch lebt dann mit Freude und im handelnden Flow, denn Freude und Handeln sind nach den Gehirnforschung eng miteinander verbunden. Was ist dabei wichtig: Gleichgewicht, Achtsamkeit und Meditation. Aus der Mitte kommt die wahre Kraft.

Glück und Freude machen klug und kreativ. Stress und Angst machen dumm und depressiv. Neu auftretende Probleme können nach der Befreiung gelassen bewältigt werden. Alle fünf Komponenten des Menschen wirken dann sinnvoll zusammen. Die formenden bewussten und unbewussten formenden Kräften können sich in Harmonie ungehindert in Wechselwirkung kreativ weiterentwickeln. Denn die Entwicklung des Menschen geht auch und gerade nach der Erleuchtung und Befreiung weiter. Erleuchtung ist kein statischer Zustand einer erstarrten Schein-Substanz. Darauf hat auch der große Zen-Meister Dōgen in aller Klarheit hingewiesen.

Nagarjuna sagt wörtlich im Mittlerer Weg, Vers 26.11


Wenn das Nicht-Wissen zur Ruhe gekommen ist, entwickelt sich kein (unheilsames) Zusammen-Werden der  formenden Kräfte (des Menschen).

Das Nicht-Wissen kommt aber durch die Entwicklung eben dieser heilsamen Kenntnis (der Befreiung) zur Ruhe.

Dieses Wissen und Können ist der Weg Buddhas aus dem Leiden. Aus Stress und Angst in die Freiheit des inneren Gleichgewichts und der Autonomie. Buddha sagt zu einem solche Menschen: "Unabhängig lebt er und haftet an nichts in der Welt!" Dies gilt besonders in schwierigen Zeiten wie in der jetzigen Corona-Pandemie! der Buddhismus eröffnet neue Chancen zur Überwindung der Krise.

Meister Nishijima erläutert: „In den verschiedenen Formen der Ignoranz oder in verschiedenen restriktiven Bedingungen kann wirkliches Handeln überhaupt nicht stattfinden. Restriktionen, die durch Ignoranz entstehen, sind immer weit weg von der Realität und führen zur Isolation und in die Sackgasse. Dies gilt, wenn man dem ignoranten Wissen folgt und wenn man die eigentlich konkrete Dinge in diesem Irrtum (falsch) anpackt.“[1] Gutes Handeln wird durch Gier und Hass verhindert.

Wahres Handeln ist vollkommen verschieden vom wildem Denken und von der ungehemmten Stimulierung der Sinnesorgane. Denn Ignoranz und Restriktion sind wirklich nur Konzepte. Man kann sich wunderbare Vorstellungen machen, was man alles tun und leisten will, aber es geht um die wirklichen Fähigkeiten und die wirkliche Realisierung beim Handeln. Über die Ignoranz kann man viel diskutieren, aber das ist kein wahres Verstehen. „Ignoranz und Intelligenz sind nur ‚Aufkleber‘ und Konzepte: Sie sind nur Restriktionen, aber keine Wirklichkeit.

Dies ist so, weil die Dinge, Phänomene und Ereignisse genau das sind, was sie sind.

Restriktionen sind aber Täuschungen. Wenn man sie im Geist hat, bedeutet das, etwas zu imaginieren, was nicht wirklich ist“, betont mein Lehrer Meister Nishijima. Klares Denken ist in Wechselwirkung mit klarem Handeln.

Zum weiter lesen


[1] Nagarjuna: Fundamental Wisdom of the Middle Way. Commentary by Gudo Wafu Nishijima and Brad Warner.