In diesem Kapitel des Shōbōgenzō beschreibt Dōgen sein tiefes Verständnis für die großen Fragen von Leben und Tod in der Wirklichkeit des Buddhismus.[i] Wir erfahren, was der Zen zur Bewältigung von Leben, Altern und Tod für uns leisten kann. Wer regelmäßig Zazen praktiziert, entwickelt sich garantiert positiv und heilsam weiter, gerade im Alter und als Stärkung in der Krankheit.
Buddha wusste
schon, dass unser Leiden zum großen Teil von selbst erzeugt wird und der von
uns unabhängige Teil von außen meist nicht die eigentliche Verursachung ist. Er
beschreibt in den Vier Edlen Wahrheiten die wichtigsten Ursachen unseres
Leidens: Jammer und Verzweiflung Oder, dass man nicht genau das man bekommt,
was man unbedingt haben will. Dabei ist klar: Wir erzeugen selbst manches
Leiden und können es daher auch ändern. Das gilt gerade für Krankheit, Alter
und Tod. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Welche Hilfen gibt uns Dōgen
dabei?
Er bearbeitet dieses Thema auf
der Grundlage seiner umfassenden buddhistischen Praxis und Lehre. Gerade im
Hinblick auf die stark mit Emotionen und Ängsten besetzte Frage nach dem Tod
und dem leidvollen Leben ist er überzeugt, dass ein intellektuelles, nur
theoretisches Verstehen dessen, was Tod und Leben bedeuten, unzureichend ist.
Besonders gefährlich seien weltfremde Doktrinen, die nicht wirklich
weiterhelfen. Die Zen-Lehre der Erfahrungen der Wirklichkeit im Jetzt darf
nicht mit hoch abstrakten Doktrinen verwechselt werden.
Dōgen erklärt:
„Weil es im Leben-und-Tod Buddha
(als Wirklichkeit) gibt, gibt es nicht Leben und Tod (als übliche Vorstellung
und Idee).
In dieser Aussage werden die
buddhistische Wirklichkeit von Leben-und-Tod und die gewöhnliche Vorstellung
des Lebens und des Todes einander gegenübergestellt und voneinander
unterschieden. Dōgen betont hier, dass wir uns von zementierten Vorstellungen,
Dogmen und Begriffen, nicht zuletzt der Angst, lösen können, um auch "das
Alter zu genießen" und ein sinnvolles aktives Leben zu führen! Diese
Wirklichkeit kann nur im Augenblick erfahren werden, sodass der Gedanke an den
Tod im Augenblick des Lebens nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern nur
eine Aktivität und Konstruktion des Gehirns ist. Das ist auch eine Kern-Aussage
des großen indischen Meisters Vasubandhu. Dōgen fährt fort:
„Ein Mensch, der sich vom Leben
und Tod befreien will, sollte genau diese Wahrheit erhellen."
Dōgen will damit bildhaft und
eindeutig ausdrücken, dass die Befreiung von Leben und Tod als Leiden nur durch
das Erleben der Wirklichkeit von Leben-und-Tod. Dazu gehört die Verwirklichen
des Buddha-Wahrheit und durch kraftvolles ethisches Handeln.
[i] Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren
Dharma-Auges (deutsche Übersetzung), Bd. 4, S. 277ff.
ZEN Schatzkammer, Kap. 92, Bd. 3, S. 293ff.: „Die Befreiung von Leben und Tod
im Buddhismus (Shōji)“