Dōgen zitiert aus dem
Lotos-Sūtra:
„Es gibt die Befreiung der dreifachen
Welt, und es gibt die dreifache Welt, die hier und jetzt ist.“
Die dreifache Welt ist eine
Einheit und wir müssen diese Wirklichkeit zu Grunde legen, um den
buddhistischen Weg der Befreiung zu finden und zu gehen. Es gibt keine
isolierten Geist, wie wir häufig umgangssprachlich sagen.
Nishijima und Cross[i]
erläutern, dass Dōgen damit das Gleichnis des brennenden Hauses aus dem Lotos-Sūtra anspricht, das davon handelt,
dass ein tatkräftiger Vater seinen Kindern, die in einem brennenden Haus
spielen, dabei hilft, der großen Gefahr des Feuertodes entfliehen zu können. Die
Kinder hatten sich im isolierten Geist ihres Spielens verloren und die
gefährliche Wirklichkeit des Brandes gar nicht bemerkt. Dies ist das Gleichnis
für die Befreiung aus dem Leiden der dreifachen Welt mithilfe von Gautama
Buddha.[ii]
Wenn die Wirklichkeit der
dreifachen Welt, in der Ideen, sinnliche
Wahrnehmung und Handeln zu einer Einheit verschmolzen sind, nicht konkret
erkannt und erfahren wird, können philosophische und theoretische Abstraktionen niemals die Befreiung von den Leiden der
Welt ergeben. Unser bewusstes Denken
ist nur ein sehr kleiner Teil unserer großen praktisch unbegrenzten
Gehirnkapazität, dazu gehört z. B die intuitive Klugheit des Sehens, des
Hörens, der Motorik, der Gefühle, der Ethik usw, wie uns auch die gesicherte moderne
Gehirnforschung lehrt. Dies alles ist der einheitliche Geist.
Dōgen betont, dass das obige
Zitat aus dem Lotos-Sūtra von ganz zentraler Bedeutung ist und einen fundamentalen Wahrheitsgehalt besitzt.
Es beschreibt die unauflösbare Verknüpfung der drei Bereiche, die oft
fälschlich getrennt werden, was dazu führt, dass es keinen einheitlichen Geist mehr gibt und alles zersplittert,
verwirrend und ohne befreienden Ausgang ist. In der heutigen Zeit muss dabei die
Fragmentierung des Geistes und das
total falsche Ziel des Multitasking
genannt werden: das führt nach M. Spitzer
zur digitalen Demenz!
Wenn es bei Dōgen heißt,
dass die dreifache Welt als Objekt
gesehen wird, so bedeutet dies gleichzeitig, dass das handelnde Subjekt die „dreifache Welt“ als Objekt sieht. Beides ist aber eine Einheit, und
durch das Sehen als Handeln wird die
Welt realisiert.[iii]
Eine Trennung von Subjekt und Objekt wird damit grundsätzlich ad absurdum
geführt, weil eine wechselseitige,
unauflösbare Verbindung besteht. Lernendes Handeln und Sehen können nicht
sinnvoll getrennt werden. Und Lernen ist die zentrale Botschaft des Buddhismus.
Die dreifache Welt zu sehen,
bedeutet sie zu verwirklichen, wie Dōgen im Kapitel „Das verwirklichte Leben
und Universum“ tiefgründig darstellt. Das heißt, dass Sehen gleichzeitig
wirkliches, unverstelltes Handeln ist und nicht in der materialistischen Lebensphilosophie hängen bleibt, in der es nur um
die sinnliche Wahrnehmung der äußeren
Form oder Materie geht. Ein Leben nach dieser Maxime höhlt sich selbst aus
und verliert seinen Sinn.
„In der Lage zu sein, dass die dreifache Welt den
Geist (zur Wahrheit) erweckt, Schulungen durchzuführen, die Bodhi-Wahrheit (zu
verwirklichen) und Nirvāna (zu erfahren), ist genau der Zustand, in dem alles
mein Besitz ist.“
In diesen hoch verdichteten
Aussagen Dōgens über die dreifache Welt und den mit ihr identischen Geist geht
es nicht um theoretisches Erkennen allein, sondern die Übungspraxis und die Verwirklichung der Bodhi-Wahrheit sind ebenso
maßgeblich. Dann erfahren wir das Nirvāna des Hier und Jetzt genau in dieser dreifachen Welt. Dies ist der
befreite und erwachte Zustand, in dem alles in der dreifachen Welt mein Besitz ist, also mit mir identisch ist. Wo gibt es da noch
die Trennung von Subjekt und Objekt?
[i] Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 3, S. 44, Fußnote
5
[ii] vgl. auch Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 2, S.
44, Fußnote 6
[iii] Kap. 3, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 43 ff.: „Das
verwirklichte Leben und Universum
(Genjō-kōan)“ und mein Buch: ZEN
ohne Mythos und Ideologie. Im Auge des Zen, Bd. 1, S. 15 ff.