Unser Geist kann nicht außerhalb der dreifachen Welt sein, die die ganze Welt ist, deshalb sagt Dōgen ganz
konkret:
„Innerhalb,
außerhalb, in der Mitte, am Anfang und am Ende ist alles die dreifache Welt.“
Da nach dieser Formulierung auch „außerhalb“ zur dreifachen Welt gehört,
gibt es nach der Geometrie überhaupt nichts, was darüber hinaus irgendwo sein
könnte. Die dreifache Welt als umfassende Wirklichkeit ist genau so, wie wir sie sehen. Eine davon abweichende
Sichtweise kann nur eine falsche Sicht sein, und sie basiert auf irrealen
Illusionen, Vorstellungen oder falschen Hoffnungen. Wenn wir innerhalb der
wirklichen Welt leben, können wir uns dauerhaft von Sichtweisen und Meinungen
über andere angebliche Wirklichkeiten
befreien und die Welt direkt, unmittelbar und unverzerrt sehen.
Das ist eine radikale Aufforderung, die Wirklichkeit
hier und jetzt von Illusionen und Träumen zu unterscheiden, auch wenn sie noch
so verlockend sind, uns aber genau so wenig in pessimistischen Befürchtungen
und Ängsten zu verlieren!
Hierbei kommt den Augen und dem Sehen als Wahrnehmung eine besonders
große Bedeutung zu. Wir wissen heute, dass etwa ein Drittel des Gehirns zum
Sehen gehört, also großartige Kapazitäten enthält: Wir sollten sie nutzen. Außerdem
sind die mit den Sinnen verbundenen Glücksgefühle, die durch unsere
Sinnesorgane und deren Reizung erzeugt werden, ein wichtiger Teil dieser
Lebensdimension der Formen und Farben. Und Freude und Lernen gehören zusammen.
Aber es darf nicht zur Abhängigkeit von den Sinnesobjekten kommen, die
durch die Gier gesteuert wird. Der im Buddhismus hoch geschätzte Mittlere Weg
der Selbststeuerung als Möglichkeit, das Leiden und die Katastrophen in unserem
Leben entweder ganz zu vermeiden oder in der Wirkung wesentlich abzumildern,
besteht gerade darin, dass man sich nicht den extremen sinnlichen
Leidenschaften hingibt. Genauso müssen wir vermeiden, dass wir bei Ideen,
Vorstellungen und Idealen zu extremen und vor allem zu gewaltsamen Bewertungen
neigen und entsprechend unkontrolliert handeln. Dann verlieren wir uns in
Ideologien, die großen Schaden anrichten könne, wie wir täglich erfahren.
Die Wirklichkeit der drei Welten sehen wir laut Dōgen
„einerseits durch das alte Nest der
Gewohnheiten und andererseits in jedem Augenblick frisch und neu“.
Im alten China wurde der Begriff „Nest“ für gedankliche Verstrickungen
und festgefahrene Vorstellungen verwendet, die nicht zuletzt durch Ideologien
und Vorurteile bestimmt sind: kein schlechter Begriff. Es ist ein erklärtes
Ziel des Buddha-Weges, sich aus diesen
Nestern zu befreien, die Verstrickungen zu lösen und daraus zu erwachen.
Dōgen wiederholt dann die
scheinbar einfache Aussage „Diese dreifache Welt ist genau so, wie sie gesehen
wird“ und lehnt komplizierte philosophische Theorien ab, die damals
intellektuell diskutiert wurden, den direkten Blick auf die Wirklichkeit jedoch
verschleierten. Sie drehten sich zum Beispiel um die Begriffe „ursprüngliche
Existenz“ oder „gegenwärtige Existenz“. Dasselbe gilt für Vorstellungen über
eine wundersame, „neue Erleuchtung“. Auch vordergründige Kausal-Erklärungen,
dass die dreifache Welt aus behaupteten Ursachen und Bedingungen entstehe,
führen laut Dōgen nicht weiter, denn sie sei jenseits von Theorien über Anfang,
Mitte oder Ende. Dabei ist Dōgen sicher kein Feind des sinnvollen Denkens, ganz im Gegenteil.