Der
große Meister Zengen Chuko[i] wurde
von einem Mönch gefragt:
„Was ist der
Geist der ewigen Buddhas?“
Er
antwortete:
„Die Welt
ist zertrümmert.“
Der
Mönch verstand beim besten Willen nicht, was der Meister ihm damit sagen
wollte, denn er konnte keinen sinnvollen Zusammenhang mit seiner, wie er
meinte, tiefgründigen Frage erkennen.
Daher fragte er weiter:
„Warum ist
die Welt zerschmettert?“
Der
Meister erwiderte in der typischen, paradox
erscheinenden Art des Zen:
„Wie ist es
möglich, ohne unseren eigenen Körper zu sein?“
Aber
handelt es sich hierbei wirklich um eine Paradoxie und alogische Antwort? Wir
sollten sicher versuchen, den tieferen oder besser umfassenden Sinn zu
entschlüsseln. Denn Zen ist niemals gegen
die Vernunft, wie manche uns weismachen wollen. Es geht allerdings um eine höherer und umfassendere Vernunft, als
die gewöhnlichen Menschen gewöhnt sind. Einmal ganz abgesehen von der neuen
Form der digitalen Demenz durch
übermäßigen Info-Konsum der Massenmedien und Brutalo-Spielprogramme.
Bevor
ich auf Dōgens Untersuchungen eingehe, möchte ich eine eigene Interpretation
anbieten: Die Formulierung „Geist der
ewigen Buddhas“ lässt vermuten, dass der Mönch eine romantisch und spirituell idealisierte Vorstellung von diesem Geist
hatte und sicher auch selbst davon träumte, später nach seiner eigenen „großartigen Erleuchtung“ daran
teilzuhaben. Dagegen ist am Anfang des buddhistischen Wegen vielleicht nicht
sehr viel einzuwenden, solange wir wissen, dass es sich um einen romantischen Traum handelt, der uns
Motivations-Kraft gibt. Ein solcher romantischer
Geist wird meist ganz unkörperlich und „frei
schwebend“ imaginiert, ist aber nicht real.
Genau
diese Vorstellungen und festgefahrenen Scheinwelten der gewöhnlichen Menschen
und auch dieses Mönchs werden durch den Geist der großen Meister ausgehebelt oder, wie es hier heißt, „zertrümmert“. Der Mönch versteht diese
ganz und gar realistische Wahrheit
nicht und fragt daher im selben Sinne weiter. Der Meister antwortet darauf mit
der einfachen Tatsache der Einheit von
Körper und Geist – gerade bei den „ewigen
Buddhas“, also den großen Meistern. Und diese Einheit von Körper und Geist
gilt selbstverständlich auch für den Mönch selbst.
Dōgen
erläutert, dass es bei diesem Kōan-Gespräch darauf ankommt, dass wir nicht von
einem verengten subjektiven Ich und
seinen Ideen ausgehen und die Welt auf diese dualistische, eingeengte Weise verstehen. Dann können wir nicht zur
Wirklichkeit des Geistes sowie der Dinge und Phänomene vordringen – ohne
subjektive Verzerrung und ohne der Wirklichkeit etwas hinzuzufügen oder
wegzunehmen. Wir müssen unsere alte
erstarrte Denkwelt zerschmettern.
Diese
konkrete Welt, in der wir leben, ist ganz genau und vollständig die Welt
Buddhas und der großen Meister.
„Jedes Ding in dieser Welt ist dabei
sein eigener Körper und der unbestimmbare Zustand des Seins, ohne (Täuschung)“,
sagt
Dōgen. Für einen solchen unbestimmbaren Zustand verwendet er das japanische
Wort Mu, das in dem berühmten Kōan
vorkommt, in dem es darum geht, ob auch
ein Hund die Buddha-Natur hat.
Die lapidare Antwort des Meisters auf diese Frage lautete „Mu“. Mu bedeutet „der Zustand ohne“, also ohne Täuschung: Der Wirklichkeit wird nichts hinzugesetzt und nichts weggenommen.
Keinesfalls bedeutet Mu das Nichts oder dass es überhaupt keine
Wirklichkeit gibt, wie manchmal im Zen fälschlicherweise behauptet wird.[ii]
Mu
bedeutet: "So wie es ist"!
[i] Meister Zengen Chukos Lebensdaten sind unbekannt, er
war Nachfolger von Dogo Enchin, der von 769 bis 835 lebte.
[ii] Vgl. Shobogenzo, englische Fassung, S. 27, Fußnote
30. Außerdem wird diese wichtige Aussage detailliert behandelt im Kap. 22, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 192 ff.: „Das
Geheimnis der Buddha-Natur (Busshō)“.