(Nishijima Roshi)
Der Buddhismus ist eine
Religion, die wesentlich auf Lernen und auf Training basiert, und zwar vor allem
in der Praxis und beim Handeln. Man könnte sogar von einem „Primat der Praxis
des Handelns“ sprechen. Dieses besondere Kennzeichen unterscheidet den
Buddhismus von anderen Religionen. Auch die buddhistische Theorie hat sich auf
dieser Basis entwickelt.
Dieses Typische des
Buddhismus als Religion des Handelns ist von großer Bedeutung, wenn wir die
Richtung der Entwicklung einbeziehen, in die sich die Weltgeschichte bewegt. Um
eine Zusammenfassung der Entwicklung der modernen westlichen Kultur geben zu
können, möchte ich aus meiner Sicht als Japaner eine kurze Analyse dieser
Kultur- und Geistesgeschichte voranstellen.
Wir nehmen an, dass die uns
bekannte Weltkultur in Ägypten, Mesopotamien und Indien ihren Anfang nahm. Neue
Entdeckungen weisen darauf hin, dass die menschliche Entwicklung in Äthiopien
begann. In der Ägäis und auf den Inseln Griechenlands keimten die Samen der
westlichen Kultur. Die moderne Kultur und Zivilisation verdankt diesen
Ursprüngen bis heute sehr viel.
In der Gruppe großer Denker
des alten Griechenlands nimmt der Philosoph Plato
einen besonderen Platz ein. Er entwickelte eine Philosophie, deren Zentrum das
rationale Wirken des Geistes ist; wir nennen sie heute Idealismus. Dieses Grundkonzept verbreitete sich von Griechenland
aus und fand Eingang in das Römische Reich, von wo es sich zusammen mit der
römischen Kultur rasch in alle Richtungen des damaligen Europa verbreitete. Die
Zeit war also reif für den Idealismus.
In der späten Phase des
Römischen Reiches traf der Idealismus schließlich mit dem sich entwickelnden
Christentum zusammen und verband sich mit dem Glauben an einen vollkommenen, allwissenden
und allmächtigen Gott. Beide Bereiche befruchteten und verstärkten sich
gegenseitig.
Das Christentum konnte die
logische Stringenz des griechischen Idealismus nutzen, um eine klare Theologie
zu entwickeln. Umgekehrt formten die Ideale des Christentums zentrale neue
philosophische Denkimpulse. Diese Entwicklungsphase schuf die Grundlagen für
das Christentum, das auf einer idealistischen Sichtweise der Welt aufbaute und
sich geografisch in die verschiedenen Länder der damaligen europäischen Kulturen
ausbreitete.
Das Christentum ist eine
Religion, deren Zentrum der Glaube an einen jenseitigen Gott ist, nach dessen
Bild die Menschen erschaffen wurden. Mit diesem Glauben erzeugten die Menschen
in Europa Gesellschaften, die auf den christlichen Idealen gründeten, die sie
in ihrem Geist prägten.
Sie versuchten, ihr
tägliches Leben an diesen Idealen auszurichten. Dies passte durchaus zu den
damaligen schweren Zeiten, als die Lebensbedingungen sehr hart und arm waren;
der Glaube an die „Erlösung“ im Jenseits bot einen tröstenden Ausweg aus den
Mühen des Alltags.
Am Ende des Mittelalters begann
die wirtschaftliche Produktivität jedoch zu steigen, und das Leben der Menschen
in Europa verbesserte sich langsam. Befreit von dem Kampf um das nackte Überleben,
fingen sie an zu erkennen, dass der Mensch eine körperliche Existenz hat, die
nicht verachtet oder vernachlässigt werden kann. Kurz gesagt entwickelte sich allmählich
eine ganz neue Sicht des Lebens. Die objektiven Naturwissenschaften nahmen
ihren Anfang.