(Nishijima Roshi)
Die objektiven Beobachtungen
der Sterne führten Kopernikus zu der
Schlussfolgerung, dass die Sonne das Zentrum des Universums sei und die Erde
sich um die Sonne bewege. Dies stand im krassen Gegensatz zum Ptolemäischen
Weltbild, welches das Christentum in jener Zeit als absolutes Dogma vertrat. Das Vertrauen auf die kopernikanische
Sichtweise des Universums setzte sich jedoch trotz des z. T. unmenschlich harten
Widerstandes der Kirche durch und ist heute völlig unbestritten.
Im Zusammenhang damit wurden
die ersten naturwissenschaftlichen Theorien entwickelt. Die Menschen begannen,
die wirklichen konkreten Tatsachen,
die direkt vor ihnen lagen, zu sehen und genau zu beobachten. Die Naturwissenschaft
machte rasch Fortschritte und ließ viele, bis dahin unbestrittene christliche dogmatische
Glaubensbereiche nach und nach zerbrechen. Dies war unvermeidlich.
Die europäische Kultur trat
in die Periode der Renaissance ein – eine Periode, in der sich die Gesellschaft
in eine mehr am Menschen orientierte
Existenz zurückbewegte, deren Leitbild die römischen und griechischen
Zeiten waren. Mit der Renaissance reformierte sich auch die Katholische Kirche,
der christliche Glauben bekam ein menschlicheres
Antlitz.
Am Ende des 18. Jahrhunderts
war die Französische Revolution maßgeblich dafür verantwortlich, dass der
Glauben an die göttliche Kraft der Könige
zerbrach. Das erlaubte den Menschen, politische Systeme völlig neu zu
sehen, zu entwickeln und sich selbst
eine Regierung zu geben, wie man sie haben wollte.
Das 19. Jahrhundert brachte
eine signifikante Verstärkung des Materialismus. Im Einklang damit entwickelten
Denker wie Karl Marx eine Philosophie, die besagte, dass alle Dinge und
Phänomene der Welt aus der Materie und der materiellen Energie erklärt werden
könnten und müssten. Dies führte mit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu einer
Situation, in welcher der Philosoph Nietzsche ausrief: „Gott ist tot!“ Damit
wollte er ausdrücken, dass die Kraft der damaligen spirituellen Religionen so
stark geschwächt war, dass sie nicht länger als Basis für das tägliche Leben
von Bedeutung waren. Und vor allem: Religiöse unmenschliche Dogmen schaden dem
Menschen!
Die große Frage ist, ob die
Menschen tatsächlich ohne Glauben an eine Religion leben können. Ohne Glauben
zu leben bringt mit sich, ohne definiertes Ziel und ohne Werte auskommen zu
müssen. So verliert die Frage nach dem Sinn des Lebens schließlich jede
Bedeutung.
Seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts begann die
intensive Suche nach etwas, das weder auf die Religion zugeschnitten war, noch
allein auf die materielle Welt der Naturwissenschaft abzielte. Philosophen wie Kierkegaard, Nietzsche, Jaspers und
Heidegger entwickelten eine existenzielle Sichtweise der Welt, in der sie
erklärten, dass wir im Augenblick der
Gegenwart existieren. Der amerikanische Philosoph John Dewey vertrat eine pragmatische Sichtweise, in der die
maßgeblichen Kriterien nicht spirituell und auch nicht materiell sind, sondern
sich im Einklang mit der Praxis und Ethik befinden. So könne man den Wert von
etwas nach diesen Kriterien einschätzen, ob es nämlich nützlich für das
menschliche Leben ist.
Diese Entwicklungslinien des
philosophischen Denkens zeigen uns, dass die Menschen des 20. Jahrhunderts mit einem
idealistischen Glauben, der sich allein auf den Geist konzentrierte, nicht
zufrieden waren, allerdings auch nicht
mit dem materialistischen Glauben der Naturwissenschaft.
Diese Unzufriedenheit, auch
mit den vorhandenen Glaubenssystemen, begleitet uns bis heute. Vielleicht ist
das größte Problem, dem sich die Menschheit im 21. Jahrhundert gegenübersieht,
die Frage, welches Glaubenssystem wir als maßgebliches Kriterium für die
menschliche Kultur annehmen und welche Glaubensgrundlage unsere Gesellschaft in
Zukunft bestimmen wird.
Welche Aufgabe hat dabei der
Buddhismus für die Menschheit? Was meinen Sie?