Montag, 4. April 2016

Religiöse Ideologien führen in die Sackgasse


 (Nishijima Roshi)
Die objektiven Beobachtungen der Sterne führten Kopernikus zu der Schlussfolgerung, dass die Sonne das Zentrum des Universums sei und die Erde sich um die Sonne bewege. Dies stand im krassen Gegensatz zum Ptolemäischen Weltbild, welches das Christentum in jener Zeit als absolutes Dogma vertrat. Das Vertrauen auf die kopernikanische Sichtweise des Universums setzte sich jedoch trotz des z. T. unmenschlich harten Widerstandes der Kirche durch und ist heute völlig unbestritten.

Im Zusammenhang damit wurden die ersten naturwissenschaftlichen Theorien entwickelt. Die Menschen begannen, die wirklichen konkreten Tatsachen, die direkt vor ihnen lagen, zu sehen und genau zu beobachten. Die Naturwissenschaft machte rasch Fortschritte und ließ viele, bis dahin unbestrittene christliche dogmatische Glaubensbereiche nach und nach zerbrechen. Dies war unvermeidlich.

Die europäische Kultur trat in die Periode der Renaissance ein – eine Periode, in der sich die Gesellschaft in eine mehr am Menschen orientierte Existenz zurückbewegte, deren Leitbild die römischen und griechischen Zeiten waren. Mit der Renaissance reformierte sich auch die Katholische Kirche, der christliche Glauben bekam ein menschlicheres Antlitz.

Am Ende des 18. Jahrhunderts war die Französische Revolution maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Glauben an die göttliche Kraft der Könige zerbrach. Das erlaubte den Menschen, politische Systeme völlig neu zu sehen, zu entwickeln und sich selbst eine Regierung zu geben, wie man sie haben wollte.

Das 19. Jahrhundert brachte eine signifikante Verstärkung des Materialismus. Im Einklang damit entwickelten Denker wie Karl Marx eine Philosophie, die besagte, dass alle Dinge und Phänomene der Welt aus der Materie und der materiellen Energie erklärt werden könnten und müssten. Dies führte mit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Situation, in welcher der Philosoph Nietzsche ausrief: „Gott ist tot!“ Damit wollte er ausdrücken, dass die Kraft der damaligen spirituellen Religionen so stark geschwächt war, dass sie nicht länger als Basis für das tägliche Leben von Bedeutung waren. Und vor allem: Religiöse unmenschliche Dogmen schaden dem Menschen!

Die große Frage ist, ob die Menschen tatsächlich ohne Glauben an eine Religion leben können. Ohne Glauben zu leben bringt mit sich, ohne definiertes Ziel und ohne Werte auskommen zu müssen. So verliert die Frage nach dem Sinn des Lebens schließlich jede Bedeutung.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts begann die intensive Suche nach etwas, das weder auf die Religion zugeschnitten war, noch allein auf die materielle Welt der Naturwissenschaft abzielte. Philosophen wie Kierkegaard, Nietzsche, Jaspers und Heidegger entwickelten eine existenzielle Sichtweise der Welt, in der sie erklärten, dass wir im Augenblick der Gegenwart existieren. Der amerikanische Philosoph John Dewey vertrat eine pragmatische Sichtweise, in der die maßgeblichen Kriterien nicht spirituell und auch nicht materiell sind, sondern sich im Einklang mit der Praxis und Ethik befinden. So könne man den Wert von etwas nach diesen Kriterien einschätzen, ob es nämlich nützlich für das menschliche Leben ist.

Diese Entwicklungslinien des philosophischen Denkens zeigen uns, dass die Menschen des 20. Jahrhunderts mit einem idealistischen Glauben, der sich allein auf den Geist konzentrierte, nicht zufrieden waren, allerdings auch nicht mit dem materialistischen Glauben der Naturwissenschaft.

Diese Unzufriedenheit, auch mit den vorhandenen Glaubenssystemen, begleitet uns bis heute. Vielleicht ist das größte Problem, dem sich die Menschheit im 21. Jahrhundert gegenübersieht, die Frage, welches Glaubenssystem wir als maßgebliches Kriterium für die menschliche Kultur annehmen und welche Glaubensgrundlage unsere Gesellschaft in Zukunft bestimmen wird.


Welche Aufgabe hat dabei der Buddhismus für die Menschheit? Was meinen Sie?