Sonntag, 26. Februar 2017

Die Fünf Hemmnisse der Achtsamkeit und des Erwachens


In der großen Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit beschreibt Buddha recht genau die Fünf Hemmnisse des Erwachens[1] Durch diese Hemmnisse werden zentrale Prozesse der Befreiung und Emanzipation des Menschen blockiert und dauerhaft gehemmt, sodass es für uns kein Erwachen und keine Erleuchtung geben kann. Welche Hemmnisse nennt Buddha?

Auf Sinnlichkeit gerichtetes Wollen
Übelwollen
Erstarren und Trägsein
Aufgeregtheit und Unruhe
Zweifelsucht

Sind diese Hindernisse und Blockierungen auch heuten aktuell und von großer Wichtigkeit und verhindern ein  gelungenes Leben? Das wir wohl niemand bestreiten! Sie stellen sich uns auf dem Weg zum Erwachen entgegen und umfassen ein weites Spektrum menschlichen Handelns, Fühlens und Denkens. Sie werden auch im Zen von Dōgen in vielen Kapiteln behandelt und sind auch im MMK Nagarjunas von zentraler Bedeutung, genauso wie im Herz-Sutra.
Im Abschnitt über die geistigen Gegebenheiten sagt Buddha zu den Fünf Hemmnisse:

„Da weilt, ihr Mönche, ein Mönch bei den geistigen Gegebenheiten in Betrachtung der geistigen Gegebenheiten, und zwar bei den fünf Hemmnissen.“[2]

Gäng hat bei seiner Übersetzung die Wiederholungen Buddhas akkurat beibehalten, obwohl das vielleicht für uns etwas umständlich klingt. Wir müssen aber bedenken, dass es sich damals um einen mündlichen Vortrag handelte und Gautama Buddha ungewöhnlich große pädagogische Fähigkeiten besaß, die nicht einfach zu verstehenden Lehr-Inhalte rhetorisch so aufzubauen, dass sie wirklich zu tiefgreifenden Veränderungen des Lebens bei den Zuhörern führten. Dazu sind Wiederholungen unumgänglich. Ich folge Gängs Entscheidung der genauen Übersetzung daher ausdrücklich.

Beim ersten Hemmnis handelt es sich um das auf Sinnlichkeit gerichtete Wollen. Damit sind starke sinnlich-psychische und affektive Energien gemeint, die eine vollständige Dominanz über den Menschen in seinem Körper-und-Geist erlangen können. Buddha betont, dass es sehr wichtig ist, seine eigenen Motive klar zu erkennen und sich nicht mit Selbsttäuschungen zufrieden zu geben. Sicher ist es gerade für Mönche und Nonnen, die dem Zölibat verpflichtet ist, nicht leicht sich einzugestehen, dass in ihnen sinnliches Wollen – auch in sexueller Hinsicht – die Oberhand gewonnen hat.

Buddha beschreibt die notwendige Vorgehensweise relativ sachlich: Der Mönch erkennt ein solches Wollen bei sich selbst, oder er stellt fest, dass es nicht vorhanden ist. Weiterhin erkennt er,

wie nicht entstandenes auf Sinnlichkeit gerichtetes Wollen entsteht“,

wie es also überhaupt dazu kommen kann, oder wie bereits entstandenes Wollen dieser Art wieder vergeht. Dann überlegt er,

wie vergangenes auf Sinnlichkeit gerichtetes Wollen künftig nicht mehr entsteht“.

In der Psychologie würde man dieses von Buddha geschilderte Wollen als triebgesteuertes Wollen bezeichnen. Aber es gibt selbstverständlich eine Vielfalt von sinnlichen Genüssen, auf die sich die Gier der Menschen beziehen kann, zum Beispiel auf Essen und Trinken oder Luxusgegenstände. Alle Arten von Übertreibungen und Abhängigkeiten, die eine Selbststeuerung der Affekte und des sinnlichen Wollens ausschalten und lebendige Prozesse verhindern, gehören in diesen Bereich.

Es leuchtet ein, dass in solchen Fällen eine bewusste Willens-Entscheidung gerade nach ethischen Gesichtspunkten kaum zu erwarten ist. Besonders dramatisch sind Suchtabhängigkeiten wie Drogen, Alkohol, Tabletten, aber immer stärker auch ein Übermaß des Konsums von Internet, Fernsehen und den sogenannten sozialen Netzwerke. Das führt eventuell zu Spielsucht und ungesteuertem "Daddeln" und kann schließlich, wie der Gehirnforscher Manfred Spitzer warnt, in die digitale Demenz abgleiten.

Mithilfe der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtfachen Pfades können wir uns von solchen Hemmnissen befreien. Im Zen-Buddhismus hilft dabei vor allem die Meditation der Zazen-Praxis, also die Entleerung unseres Geistes von Hemmnissen, weil sie Gleichmut und Gleichgewicht ermöglicht und den Entscheidungsraum für uns Menschen ganz maßgeblich vergrößert. Karmische Abhängigkeiten von früheren Fehlern werden durch diese Praxis reduziert oder ganz ausgeschaltet, und genau dies ist die Befreiung von den Hemmnissen.





[1] Gäng, Peter (Hrsg.): Meditationstexte des Pali-Buddhismus I, S. 39 ff.
[2] S. 39