Im Gespräch zwischen Meister
Dai-i und dem ungewöhnlichen Jungen Daiman heißt es: Die Aussage des Jungen
„Ich habe einen Namen, aber es ist kein gewöhnlicher Name“ besagt, dass es
nicht um den Familiennamen geht, sondern um das wahre Leben und die klare Existenz selbst. Nach Dôgen sagt Daiman also
nichts anderes als:
„Klare Existenz ist unser (wahre Familien-)Name“,
und fügt hinzu, dass das
existenzielle Leben im Hier und Jetzt
gemeint ist – ganz konkret und nicht im abstrakten allgemeinen Sinne.
Bei dem Gespräch geht es um
ein konkretes „Dieses hier“ und um
das unfassbare „Was“ des Menschen. Dôgen formuliert:
„Wir können (das Was) zum Beifuß-Tee[i],
zum Grünen Tee und zum alltäglichen Tee und zum Essen jedes Tages machen.“
Dann verdeutlicht er, dass „Dies“
die Buddha-Natur und unser
natürliches Leben ist. Damit betont er das Konkrete des Hier und Jetzt und schließt
das Ausweichen auf abstrakte Vorstellungen und Theorien von der Buddha-Natur aus. Was und Dies sind identisch mit Buddha, also mit dem erwachten
Zustand. Nishijima und Cross[ii]
erläutern hierzu, dass die konkrete Wirklichkeit genau im Hier und Jetzt, in
jeder Umgebung und unter allen Umständen immer die Buddha-Natur ist. Dies ist
eine ganz zentrale und bedeutsame Aussage, denn die Wirklichkeit gibt es nur im
Handeln und der Klarheit des gegenwärtigen Augenblicks. Das ist unsere wahre
Natur, die aber nicht durch ein abgegrenztes Ich verwirklicht werden kann,
sondern nur in der ethischen, verantwortungsvollen Ganzheit mit anderen
Menschen, der Umwelt und dem ganzen Universum. Diese Wirklichkeit besteht auch,
wenn wir falsch handeln, also das „Dies“ nicht richtig ist. Aber dann
entwickeln wir uns an der Wahrheit des "Dies". Die Wirklichkeit ist
ja unabhängig von Fehlleistungen und Bewertungen.
„Daher ist Dieses (hier) das Was, und
es ist Buddha. Und wenn es frei und rein geworden ist, ist es zur gleichen Zeit
immer ein Name.“
Das ist ein typische
scheinbar paradoxe Zen-Aussage. Aber scheinbare Paradoxien habe oft gerade eine
wahren starken Kern, der in der Umgangssprache durch die Logik
"weg-geschafft" wurde, weil diese Wahrheit umgangen werden sollte.
Was sagt nun Dôgen? Er erläutert, dass ein solcher Name auch der Familienname
sein kann, der dann aber über seine herkömmliche
gesellschaftliche Bedeutung hinausgeht. Dann sind Name und Buddha-Natur
identisch! Damit ist jedoch der gewöhnliche Familienname nicht überflüssig,
denn er hat durchaus eine notwendige Funktion in der Gesellschaft.
In diesem Sinne sind laut
Dôgen auch Bilder und Vorstellungen
nicht sinnlos, denn auch sie haben eine bestimmte, aber begrenzte Funktion in
der sozialen Welt, in der wir leben. Er erläutert dies an dem berühmten
Beispiel vom Bild eines Reiskuchens, das im Zen-Buddhismus
von Schülern oft fälschlicherweise nur negativ verstanden wird, da man das Bild
eines Reiskuchens nicht essen könne.[iii] Das
ist zweifellos richtig, denn Bilder sind keine physische Nahrung. Aber sie
können eine sehr wichtige Bedeutung
erhalten und haben wichtige Funktionen
auch und gerade im Buddhismus. Analog haben Bilder, Fresken und die Glasmalerei
im Christentum tiefe spirituelle Bedeutungen.[iv] Es
kommt darauf an, ob das Bild uns die direkte Wirklichkeit und spirituelle
Wahrheit bringt oder nicht.[v] Und
ob eine weiterführende Wechsel-Wirkung mit uns in Gang kommt: Buddha-Natur in diesem Augenblick!
[i] Englisch: mugwort
[ii] Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 2, S. 9, Fußnote
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[iii] Kap. 40, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 133 ff.: „Was
bedeutet das Bild eines Reiskuchens? (Gabyô)“
[iv] vgl. Avila, Teresa von: Wohnungen der Inneren Burg
[v] Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 2, S. 9, Fußnote
40, Kap. 40