(Aus meinem neuen Buch
"Sternstunden des Buddhismus")
Buddha erklärte nach dem Erwachen seinen Askese-Freunden den Achtfachen Pfad, das war seine erste Lehrrede. Er und seine Freunde hatten freiwillig gemeinsam viel in der schmerzhaften Askese gelitten und gekämpft, jetzt gab es die wahre Lösung. Dieser Weg führt ohne schmerzhafte Askese zu einem guten Leben und überwindet vielfältiges Leiden, das ja leider Realität in unserem Leben ist. Denn Leiden und Schmerzen kann man nicht einfach wegdiskutieren.
Dieser Weg der Befreiung und Lebensfreude ist die
zentrale Erkenntnis Buddhas nach seiner langen und oft schmerzhaften Suche. Sie
ist keine bloße Theorie oder abgehobenen Philosophie, sie ist seine bewährte
eigene Erfahrung. Und jeder kann diesen Weg des guten Lebens gehen, und sie ist theoretisch gut begründet. Ich meine, dem können wir vertrauen. Buddha suchte nämlich
nichts weniger als die Wahrheit für den Sinn und die Erfüllung in unserem Leben. Und
dieser Befreiungs-Weg hat sich seit 2500 Jahren bewährt. Er hat heute im Westen
nichts von seiner praktischen Kraft und Wirkung verloren. Im Gegenteil: Wir
können diese Hilfen und diesen Rat heute dringender gebrauchen denn je! Dadurch lösen sich auch Stress und Angst, die Entfremdung durch Über-Technisierung und die schmerzliche Isolation des modernen Lebens auf.
Zen-Meister Dōgen untersucht und beschreibt den
Achtfachen Pfad ausführlich in seinem großen Werk Shōbōgenzō, und zwar im Kapitel zum Erwachen. Seine tiefgründige
und sehr praktische Beschreibung des Weges für ein gutes Leben sind damit die
Verbindung des frühen authentischen Buddhismus mit dem Zen-Buddhismus und zum Mahāyāna. Denn
Erwachen ist nichts anderes als die Klarheit für ein wirklich gutes Leben.[i]
Der erste sogenannten
Zweig dieses Pfades ist die rechte
Sichtweise, die vor allem durch die Klarheit entsteht, den Buddha-Weg zu
gehen. Verhindert wird solche Klarheit durch das Nicht-Wissen und die falsche Sichtweise. Die rechte Sichtweise ist
in einem umfassenden Sinn zu verstehen und beschränkt sich nicht auf die
visuelle Wahrnehmung durch die Augen. Durch die rechte Sichtweise werden wir
nicht immer wieder neu irritiert und sehen den Sinn und das Ziel unseres Lebens und Zusammenlebens.
Der zweite
Zweig ist der rechte Entschluss,
also die rechte Gesinnung und Zielsetzung,
die über theoretische Abstraktionen und Spekulationen hinausgehen und keine nur eigennützigen Absichten hegen. Buddha erklärt, dass dies eine „Gesinnung ohne
Übelwollen“ und ohne Häme sei. Es ist der einfache Entschluss, niemanden zu
verletzen und sich von unmoralischem falschen Handeln und Denken zu
verabschieden. Diese Gesinnung ist auch die gute Wechselwirkung von
Körper-und-Geist. Dōgen sagt dazu:
„Wenn wir
das Denken in der Wirklichkeit erwecken, sind wir jenseits vom Ich und
überschreiten die äußere Welt. Zur gleichen Zeit gehen wir direkt nach Vārānasī
(Buddhas Ort der Lehre), indem wir genau im Augenblick der Gegenwart die konkreten
Tatsachen denken.“
Er betont hier sowohl den gegenwärtigen Augenblick
als auch die konkreten Tatsachen der Wirklichkeit, die einbezogen werden
müssen. Also keine Versprechungen, die zu schön sind, um wahr zu sein.
Als dritter
Zweig des Achtfachen Pfades ist die rechte
Rede zu nennen, die den gesamten Körper-und-Geist umfasst. Sie ist für die
Lehre des Buddha-Dharma von großer
Bedeutung. Buddha legt hierbei Wert darauf, dass wir Lügen, fake-news und
Hinterhältigkeit vermeiden, niemanden verleumden und nicht grob und verletzend sondern
mitfühlend und sorgsam mit anderen Menschen umgehen.
Der vierte
Zweig betrifft das rechte Handeln.
Hier geht es um gemeinsames Entstehen und gutes Handeln in Wechselwirkung. Nicht zuletzt darum, keinem zu schaden, kein Leben zu vernichten,
sich nicht ungerechtfertigt zu bereichern und sich nicht ungesteuerter
Sucht und Rücksichtslosigkeit zum Nachteil anderer Menschen hinzugeben.
Zweifellos ist damit auch der sexuelle Missbrauch gemeint, vor allem mit
Abhängigen und Minderjährigen. Hier heißt es, die Augen offen zu halten und mutig
einschreiten, wenn Kinder in Gefahr sind.
[i] Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren
Dharma-Auges (deutsche Übersetzung), Bd. 4, S. 32ff.