Dieses Kapitel Dōgens über die Zeit, deine lebendige Wirklichkeit, die Dynamik, der Augenblick und die großen Momente unseres Lebens ist eine geniale Leistung des Zen und überhaupt des Buddhismus.[1] Stark verkürzt sagt Dogen, dass der Augenblick und die dynamische Zeit untrennbar mit der Wirklichkeit deines Leben verknüpft sind. Die großen Momente sind Höhepunkte unseres Lebens. Sie prägen uns mehr, als uns vielleicht bewusst sind. Das Leben und die Wirklichkeit gibt es also nur zusammen mit dieser lebendigen wirklichen Zeit, das ist ein gemeinsamer Prozess und wahres Handeln. Es geht um die dynamische Sein-Zeit im Hier und Jetzt. Und wenn jemand durch Gier, Hass und Verblendung fixiert ist, geht sein Handeln ins Leere und hat keine gute Wechsel-Wirkung. Wenn unser Handeln leer von den drei Giften ist, entfaltet sich die glückhafte Wirklichkeit!
Damit
greift Dogen die zentrale Wahrheit Buddhas auf: Das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung. Diese Dynamik und Vernetzung sollte ohne Störungen und Blockaden vor sich gehen. Das können wir auch ´erleuchtetes Leben´ nennen. Leider hat die westliche Philosophie meines Wissens diese Wahrheit noch nicht klar erkannt,
obgleich die moderne Neuro-Wissenschaft damit genau übereinstimmt. Es gibt für
dich und überhaupt für die Welt keine Statik, die unabhängig von der Dynamik
der Zeit ist. Es gibt kein statisches sondern nur ein dynamisches Sein in der Wirklichkeit. Und in diesem dynamischen strahlenden Augenblick sticht die
Klarheit des Jetzt und des Augenblicks wunderbar heraus. Das sind deine big moments! Denn wann kannst du dein Leben
zum Besseren verändern? Antwort: Genau jetzt durch Handeln in die richtige
Richtung. Und wie kannst Du eine falsche Entwicklung verhindern? Antwort: Indem
du dein Handeln genau jetzt änderst. Wie denn sonst?
Und
das alles in Wechselwirkung mit anderen Menschen, deiner Umgebung und dir selbst.
Wer erstarrt, hat ein unglückliches Leben. Wer in verblendeten Ideologien
steckt, entwickelt sich nach unten und leidet. Wer von Gier, Hass und Trägheit programmiert
ist, verliert seine menschliche Freiheit. Denn Alternativen haben und
verwirklichen, heißt Freiheit haben. Und wenn du mehr Freiheit realisierst,
wirst du glücklicher. Eigentlich ganz einfach. Ein alter erfahrener Mediziner der
bekannten Charité in Berlin sagte mir dazu kürzlich: "Wer im Bett liegt,
stirbt".
Dogen
hatte dank seiner genialen Intelligenz die damalige buddhistische Theorie in
Japan so gründlich studiert, wie kaum eine anderer. Aber Erleuchtung und
Befreiung konnte er nicht realisieren. Erst bei seiner China-Reise fand er
tiefe Erleuchtung durch die Meditation des Zazen: "Nichts als sitzen mit
gradem Rücken, ohne konzentriertem Denken und rotierende Gefühle. Körper und
Geist fallen lassen" Das ist so, als ob du dein gesamtes Selbst auf Null stellst und dann
wieder neu startest, fast wie einer Störung des Computers.
Das
ist ist eigentlich nicht so schwer. Ich habe es selbst ausprobiert: Es funktioniert!
Dein
Geist und dein Gehirn sind immer in Bewegung, auch im Schlaf. Und davon
bekommen wir wenig mit. Daher ist es Illusion zu glauben, dass in deinem Leben irgend
etwas unverrückbar statisch ist und dass es eine absolute Wahrheit gibt, die
unveränderlich ist. Das wäre sogar Starrheit und Starrsinn. Warum startest du
nach der Corona-Krise nicht in einer verbesserter Richtung deines Lebens mit
Freude und Freiheit? Das ist sicher einfacher, als du denkst. "Just do
it!"
Dogen
sagt: Du existierst nicht außerhalb oder neben der Welt. Zum Beispiel wirkt
auch bei dir die Erdanziehung und Schwerkraft. Und wann wirkt sie wirklich? In der Vergangenheit oder Zukunft? Sicher nicht. Genau im Hier und Jetzt
und im Moment wirkt die Wirklichkeit. Und deiner Schwerkraft und Physik kannst du nicht entfliehen
Warum auch? Also wann ist die Wirklichkeit wahr und wirklich? Genau im
Augenblick ohne Verblendungen und ohne unheilsame Ideologien. Die Meditation, etwa Zazen, gibt dir
dann erstaunliche Kräfte, um in deiner eigenen guten Richtung zu gehen und auch
schwierige Kampf-Situationen zu meistern. Mit Zazen kannst du den Kampf-Modus
einschalten und wieder ausschalten, wie es erforderlich ist. Und das können wir
heute wirklich gut gebrauchen.
Dogen rät uns schließlich, dass wir uns mit dieser Wahrheit der dynamischen Sein-Zeit immer wieder beschäftigen sollen, dass wir uns darauf fokussieren und dann wieder loslassen. Und wir wissen aus der Gehirnforschung, dass die Schulung des Selbst am besten mit Freude und Wiederholung funktioniert.