Zen-Meister Dōgen regt an, dass wir die konkreten
Dinge unserer Umwelt sehr genau betrachten, genauso wie sie sind. Aber unser
Sehen sollte über die äußere Form hinausgehen, denn nur dann können wir die
buddhistische, umfassende Wirklichkeit erkennen. In diesem Zusammenhang zitiert
er seinen eigenen chinesischen Meister:
„Der Herbstwind ist rein und frisch, und der Herbstmond ist klar und hell.
Die Erde, die Berge und Flüsse leuchten klar im Auge.
Tendō sieht sie, und sie begegnen sich neu und
frisch.
Sie laufen mit Stöcken rufend umher und prüfen mich,
den Flickenmönch.“
Dōgen spricht von der Begegnung der klaren Erde,
Berge und Flüsse mit dem Mönch. Dabei wird deutlich, dass eine Trennung in ein
Subjekt, das sieht, und die Natur als Objekt, das gesehen wird, unsinnig ist
oder zumindest eine eindimensionale verengte Sichtweise darstellt.
In der letzten Zeile wird auf das Erwachen des
Meisters verwiesen, der von der Natur geprüft und getestet wird. Das heißt,
dass die Natur in besonderer Weise unseren psychischen und geistigen Zustand an
uns selbst zurückmelden kann, in klärende Verbindung mit uns kommt und damit
die Wahrheit des Buddha-Dharma lehrt. Wer nach Dōgens Überzeugung in lebendiger Wechsel-Wirkung mit der Natur
das große Erwachen erfährt, zum Beispiel durch blühende Pfirsichbäume im
Frühling oder den Wind und Mond im Herbst, ist besonders sicher im
Gleichgewicht verankert und „fällt nicht in Ideologien und Statik zurück“.
Die Klarheit und Frische des Herbstwindes erfahren
und erleben wir genau im jetzigen Augenblick mit allen Sinnen. Dann sind wir
offen für die Natur und nicht durch eigene Gedanken und Emotionen besetzt oder
und abgelenkt: Das schädliche Grübeln hört auf.
Dann
eröffnet sich für uns die Vierte Dimension der Zeit: Das große Jetzt!:
„Gautama verliert seine (bisherigen) Augen.
Nur ein Zweig Pflaumenblüten im Schnee.
Jetzt sind alle Orte beschwerlich und voller Dornen.
Und doch lachen die tanzenden Blüten im
Frühlingswind.“
Die Augen „springen heraus“ in den Augenblick, wir
geben alles, und „dies ist der erste Tag“.
Vertiefen: Buddha-Augen im Zen bei Dogen