Dōgen zitiert ein wichtiges und verblüffendes Kōan-Gespräch zwischen
Meister Gensa[i] und
seinem Schüler, dem jüngeren Meister Keichin[ii]. Meister Gensa hat in besonders klarer
Weise zwischen Fantasien und Spekulationen einerseits und der Wirklichkeit
andererseits unterschieden, dies wird in mehreren berühmten Kōan-Geschichten
berichtet: Er lehnte romantisierende und spekulative buddhistische Theorien
unmissverständlich ab, eine wahrer Zen-Meister auf der Suche nach Wirklichkeit
und Wahrheit.
Das folgende Kōan erscheint zunächst fast banal und kaum verständlich,
zumindest aber sehr eigenartig. Ich werde es nach meinem Verständnis
interpretieren.
Meister Gensa fragte: „Wie
verstehst du, dass die dreifache Welt der Geist allein ist?“
Meister Keichin antwortete nicht direkt auf diese Frage und zeigte auf
einen Stuhl, indem er seinerseits fragte: „Wie
bezeichnest du dies, Meister?“
Gensa antwortete: „Als einen Stuhl.“
Keichin erwiderte darauf fast unhöflich: „Der Meister versteht nicht, dass die dreifache Welt der Geist allein
ist.“
Gensa ließ sich jedoch nicht beirren und setzte das Gespräch fort:
„Ich bezeichne
dies als Bambus und Holz, wie bezeichnest du es?“
Keichin antwortete: „Auch ich
bezeichne dies als Bambus und als Holz.“
Dem fügte Gensa hinzu:
„Wenn wir
die ganze Erde nach einem Menschen absuchen, der den Buddha-Dharma (mit seinem
unterscheidenden Denken) versteht, ist es unmöglich, einen zu finden.“
Worum geht es eigentlich bei dieser Kōan-Geschichte? Die Dinge und die materiellen Gegebenheiten werden in
diesem Fall durch die Begriffe „Bambus“ und „Holz“ gekennzeichnet, sie sind
konkreter als der Begriff „Stuhl“. Die Bezeichnung „Stuhl“ beinhaltet schon
eine Abstraktion und Verallgemeinerung, denn sie verweist vor allem auf die Funktion des Sitzens und meint nicht
allein das Holz und den Bambus als Baumaterial. Durch die Zweckbestimmung, die
im Begriff eines Stuhles enthalten ist, wird also der Bereich der Zwecke, der Gedanken und Funktionen in
den Vordergrund gestellt. Wir befinden uns dann nicht mehr im Bereich der
konkreten Dinge und der Materie.
Eine solche Unterscheidung
ist typisch für die Kōan-Geschichten mit Meister Gensa. Indem Dōgen sie
aufgreift, möchte er wieder auf das Konkrete und das Materielle abheben und
erläutert uns, dass auch diese Dimension eine der drei Welten und damit identisch mit dem Geist im
buddhistischen Sinne ist.
Dass der alte Meister Gensa
zunächst den Stuhl erwähnt, kann man laut Nishijima Roshi in diesem Kōan-Gespräch
als eine Art Test für seinen Schüler
ansehen. Der jüngere Meister Keichin antwortet
auch in richtiger Weise, dass Gensa dann
nicht verstehen würde, dass die drei Welten nichts anderes als Geist seien.
Er verfängt sich nicht in der aufgestellten Falle. Beide Meister sind sich
einig, dass der direkte Bezug zum Bambus und Holz genau richtig ist, wenn man
die Welt der Formen und der Materie ansprechen will.
Die Dinge und die Materie, hier also
Bambus und Holz, sind nach der buddhistischen Lehre auch der Geist.