Was bedeutet der Satz von Meister Gensa, dass man auf der ganzen Erde
keinen Menschen finden würde, der den Buddha-Dharma „versteht“?
Der Begriff „verstehen“ bezieht sich dabei auf den unterscheidenden
Verstand, mit dem man tatsächlich die Lehre des Buddhismus nicht vollständig
erfassen kann. Im Sinne der vier Lebensphilosophien von Nishijima Roshi ist
„das Instrument“ des Denkens und Unterscheidens von Subjekt und Objekt für die
ersten beiden Ebenen des Idealismus und Materialismus geeignet und oft sogar
notwendig. Beim Handeln im Augenblick ist intellektuelles Denken jedoch wenig
nützlich und oft sogar schädlich. Das Denken ist auch zu langsam, um in der
Kürze des Augenblicks überhaupt zu funktionieren.
Dōgen betont immer wieder, dass man damit nicht einmal die materielle
Welt und die Formen wirklich verstehen kann, denn dazu ist die Intuition für
den umfassenden Geist der Buddha-Lehre erforderlich, und sie muss mit der
Praxis und dem Handeln verbunden werden. Dieser letzte Satz Gensas gehört damit
zur vierten, umfassenden Lebensphilosophie, die wir Erwachen, Erleuchtung,
Gleichgewicht oder Leerheit nennen.
Dōgen verdeutlicht, dass es
also nicht um ein intellektuelles Verstehen oder Nicht-Verstehen geht, wenn
sich die beiden Meister über den dreifachen Welt-Geist unterhalten. Auf der
unterscheidenden Ebene des Denkens kann man die Aussage „die dreifache Welt ist
der Geist allein“ überhaupt nicht erfassen. Um aus dieser falschen Sichtweise
herauszufinden, zeigt Meister Keichin auf den Stuhl. Das ist ein konkreter
Gegenstand, auf dem man sitzt. Er hat für die Menschen zudem eine wichtige
Funktion, sodass dabei der Zweck und ein Sinn assoziiert werden.
Die Frage Gensas nach der
dreifachen Welt wird nicht verbal beantwortet, sondern Meister Keichin zeigt
auf den konkreten Stuhl – dies ist seine Antwort. Aber die von Gensa zunächst
angebotene Bezeichnung „Stuhl“ ist für ihn noch zu abstrakt, und daher bittet
er Meister Gensa um eine bessere konkrete Bezeichnung. Er sagt seinem eigenen
Meister sogar, dass dessen zu abstrakte Antwort zeigen würde, dass er die Lehre
„Die dreifache Welt ist der Geist allein“
nicht verstehe.
Gensa widerspricht seinem
Schüler nicht, sondern möchte selbst einen Schritt weiter gehen und konkreter
werden. Daher verwendet er die Worte „Holz“ und „Bambus“. Dōgen fragt uns:
„Sind dies Worte, welche die dreifache
Welt nicht verstehen?“ Und weiter: „Werden (die Worte) durch den Stuhl
ausgedrückt? Werden sie durch den großen Meister ausgedrückt?“
Wir sollen diese Fragen ganz
gründlich untersuchen und darauf eigene Antworten finden. Dies ist eine
typische Wendung von Dōgens eigenem Meister Tendō
Nyojō, der immer wieder darauf abhebt, dass eigene Überlegungen, eigenes
intuitives Verstehen und die eigene gründliche Analyse von zentraler Bedeutung
sind. Durch solche Fragen werden wir unmittelbar konfrontiert mit den
Kernpunkten der buddhistischen Lehre und sollen dabei nicht auf gelerntes
Wissen zurückgreifen.
Wenn wir die vier
Lebensphilosophien nach Nishijima Roshi hier anwenden, könnte man
zusammengefasst Folgendes feststellen: Die überlieferte Aussage über die
dreifache Welt und den Geist gehört zur Lebensphilosophie des Denkens und der buddhistischen Lehre. Der materielle Stuhl gehört zur
zweiten Lebensphilosophie des Materialismus.
Reden und Dialog sind, wenn sie mit der buddhistischen Wahrheit eine Einheit
bilden, die Lebensphilosophie des Handelns und damit für den Buddhismus von
großer Bedeutung.
Wenn wir diese drei Ebenen
überschreiten, nennt das Nishijima Roshi die vierte Lebensphilosophie der
umfassenden Wirklichkeit, die häufig
auch als Erwachen oder Erleuchtung bezeichnet wird. Bei genauerer Analyse des
obigen Dialogs kommen wir daher zu dem Schluss, dass diese verschiedenen Ebenen
oder Lebensphilosophien nacheinander wirksam werden und dass die beiden Meister
sich jeweils darüber verständigen und vollständig übereinstimmen.
Dōgen betont, dass wir durch die
Bearbeitung dieses Kōan-Gesprächs Wesentliches über uns selbst lernen und
klarer werden.