Dōgen bezieht sich auf ein Kōan-Gespräch
mit dem großen Meister Jōshū, der den
gleichen Namen wie eine Stadt hatte: er wurde von einem Mönch gefragt: „Was ist Jōshū?“[i]
Meister Jōshū antwortete
jedoch in dem Sinne, als ob die Frage auf die gleichnamige Stadt zielen würde und sagte, dass diese verschiedene konkrete Tore habe. Damit beantwortet er
die doch etwas eigenartige Frage des Mönchs über seine eigene Persönlichkeit gerade nicht, sondern
kommt auf ganz konkrete Bereiche der Wirklichkeit zu sprechen, nämlich die
Stadt Jōshū mit ihren Toren.
Denn welchen Sinn hätte auch
eine Antwort darauf, was seine eigene
Persönlichkeit ist? Sie könnte nicht konkret sein und würde den gedanklichen
Fantasien des Mönchs nur unnötig Nahrung geben. Analog können wir die Aussage
von Meister Keichin so verstehen, dass er Meister Gensa dazu bringen möchte,
noch konkreter und direkter zu werden.
Das ist echter Zen: hier und jetzt!
Zu der Aussage Gensas
„Ich
bezeichne dies als Bambus und Holz“
sagt Dōgen:
„Ihr solltet
dieses beispiellose und nicht wiederholbare Stück einer Aussage meistern, bevor
es gesagt wurde und nachdem es zu Worten wurde.“
Die Bezeichnungen „Bambus“ und „Holz“ sind in der Tat konkreter als der
Begriff „Stuhl“, weil sie nicht die
Funktionen für den Menschen beinhalten, sondern nur das Material selbst
benennen und von dem Vorgang des
Bezeichnens und Benennens ziemlich unabhängig sind. Daher fragt Dōgen:
„Vor der
Benennung, die jetzt stattgefunden hat: Wie wurde (der Bambus und das Holz)
benannt?“
Er nennt diesen vorherigen Zustand „brillant
in allen Aspekten“, schätzt ihn also höher als die Wortebene, die im Dialog verwendet wird. Dieses sei der Zustand,
der mit der Formulierung „Die dreifache Welt ist der Geist allein“ gemeint ist. Wir sollten
bei diesem intuitiven, umfassenden
Verständnis hiervon die Bezeichnungen
beiseite lassen und uns davon unabhängig machen.
Dōgen äußert seine große
Wertschätzung für Meister Gensa an
mehreren Stellen des Shōbōgenzō und
hebt dabei vor allem die nüchterne Klarheit dieses alten Meisters hervor, der
jeder Spekulation abgeneigt war und
immer wieder auf den Unterschied von Vorstellungen
und Worten einerseits und der Wirklichkeit
andererseits hinwies. Dōgen stellt Meister Gensa die fiktive Frage:
„Was ist es, das du ‚die ganze Welt‘
nennst?“
Er gibt dazu aber keine
Antwort und bittet stattdessen uns (!), dass wir uns selbst genau mit der Frage
und den möglichen Antworten beschäftigen. Wir sollen also keineswegs gläubig und unreflektiert den alten Lehren der großen
Meister folgen, nicht einmal denen von Dōgen,
sondern sie im Gegenteil durch vielfältige, tief gehende eigene Fragen untersuchen.
So müssen wir auch den
Inhalt dieses Kapitels des Shōbōgenzō
in der Praxis erfahren und erforschen.
Diese ist unauflösbar mit dem Handeln
im Hier und Jetzt verbunden, und ohne Moral kann es keine wahre buddhistische
Lehre und kein Leben und Lernen auf dem Buddha-Weg geben. Es reicht wirklich nicht,
buddhistische Lehren zu intellektualisieren.