Der japanische Begriff ko bedeutet „alt“ oder „ewig“, butsu (im Titel verkürzt zu bus) heißt im Deutschen „Buddha“, und shin ist der „Geist“. Wörtlich übersetzt
lautet der Titel demnach: „Der Geist der ewigen Buddhas“.
In diesem 44. Kapitel
behandelt Dōgen viele Bereiche der umfassenden buddhistischen Lehre des Shōbōgenzō verhältnismäßig kurz, aber
sehr aussagekräftig.[i]
Er zitiert hierzu verschiedene Aussagen der großen Zen-Meister aus Indien und
China, die er häufig die ewigen Buddhas
nennt. Wir sollten uns jedoch bei dem Begriff „ewig“ nicht die unerreichbare
Zukunft der linearen mechanischen Zeit vorstellen, denn Dōgen verbindet den gegenwärtigen Augenblick damit. Es geht
also darum, was hier und jetzt wirklich
ist – in diesem Fall die Kraft und der Geist der großen Meister in Indien
und China.
Er erläutert, dass der Geist
nicht als unabhängig vom Körper und
von den vielen Dingen und Phänomenen der Welt verstanden werden darf. So ist
der Geist der alten Meister und Vorfahren im Dharma ganzheitlich zu betrachten,
und er umfasst mehr als nur das Denken und die Wahrnehmung mithilfe der
Sinnesorgane.
Die Weitergabe von Buddhas wahrem Geist
Zunächst geht Dōgen darauf
ein, wie wichtig die authentischen Übertragungslinien und verlässliche
authentische Lehrer im Buddhismus sind. Wir würden heute vor allem deren
Empathie in den Vordergrund stelle: Nicht von oben herab sondern von Mensch zu
Mensch und gemeinsam auf dem Buddha-Weg. Denn auch jeder Lehrer lernt hinzu!
Dōgen bezeichnet die großen
Meister als „lebendige Ader“ und
arbeitet heraus, dass die Dharma-Übertragung, also die Weitergabe der großen
buddhistischen Wahrheit, von einem Buddha zum anderen erfolgt. Neben dem
historisch belegten Shākyamuni Buddha
bezieht er auch die vorherigen legendären Buddhas ein.
Bei der Weitergabe der Buddha-Lehre von einem Meister
zum nächsten geht es um die spirituelle Einheit des umfassenden Geistes von
Meister und Schüler sowie Lehre und Praxis. Der Schüler wird danach selbst zum
Meister. Dies vollzieht sich bei der Dharma-Übertragung in einem lebendigen
ganzheitlichen Vorgang und im gegenwärtigen Augenblick
des Hier und Jetzt und sicher nicht nach Aktenlage.
Dabei hat jeder Meister selbstverständlich seine
Besonderheiten, weil er eben auch ein wirklicher Mensch ist. Dieser Augenblick des Empfangens und
der Weitergabe des wahren Dharma ist laut Dōgen nicht mit den Vorstellungen der
linearen Zeit zu erfassen, vielmehr findet dieser Vorgang unmittelbar in der
Sein-Zeit statt, die Dōgen in einem eigenen Kapitel[ii]
tiefgründig erläutert.
Im Buddha-Dharma und im Zazen empfängt man das wahre Selbst, das aber nicht mit dem
abgegrenzten, egoistischen Ich
verwechselt werden darf. Man benutzt das Selbst, indem man handelt oder etwas
Wichtiges geschehen lässt. Dadurch verwirklicht sich das Selbst.
Dōgen erklärt, dass die
Buddhas mit der großen Wahrheit aufsteigen und sich wieder zu den Schülern
herabneigen, um den Buddha-Dharma lehren. Im Zen hat die authentische
Weitergabe des Buddha-Dharma eine durch nichts zu ersetzende Bedeutung, weil
damit die wahre Lehre und Praxis lebendig und verlässlich übertragen werden.
Nur so bleibe der wahre Geist Gautama Buddhas und der
großen indischen, chinesischen und japanischen Meister lebendig. Ihr Handeln
und Lehren verblassen damit nicht zu historischen Gegebenheiten und bedrucktem
Papier, sondern sie entwickeln vitale
Kraft im Hier und Jetzt.