Freitag, 13. März 2015

Die gegenwärtige Kraft der ewigen Buddhas


Für Dōgen sind die ewigen Buddhas gemeinsam anwesend und wirken in der Gegenwart zusammen:

„Zur Zeit von Shākyamuni Buddha sind alle Buddhas der zehn Richtungen gegenwärtig. Zur Zeit von Seigen ist Nangaku gegenwärtig; zur Zeit von Nangaku ist Seigen gegenwärtig. Zur Zeit von Sekito ist Baso Do-itsu anwesend.“

Die letztgenannten Meister waren jeweils Zeitgenossen und sind die Nachfolger von Daikan Enō. Sie lebten in der goldenen Zeit des Zen-Buddhismus von 700 bis 900 nach der Zeitenwende. Einerseits waren sie selbstständig und unverwechselbar, oder – wie Dōgen sagt – sie behinderten sich nicht gegenseitig. Andererseits hatten sie engen Kontakt zueinander und tauschten sich meist direkt oder sonst über Schüler ständig untereinander aus.

„(Jeder der Meister) hat gleichzeitig einen Geist, einen Körper, einen Zustand des Leuchtens und ein nationales Land. Jeder ist vor langer Zeit gestorben und ist überhaupt niemals fortgegangen.“

Damit drückt Dōgen die gegenwärtige Anwesenheit der Kraft und des Wirkens dieser großen Meister aus und betont, dass deren große Kraft vermutlich gerade darin liegt, dass sie zwar gestorben sind, aber immer noch ihre volle Wirksamkeit in der Gegenwart der Menschen entfalten. Er erläutert, dass sich die Meister als Einheit verstehen und die Anwesenheit der anderen Meister trotz der zeitlichen Trennung von manchmal vielen Jahrhunderten erleben. Obgleich die alten Meister also „körperlich“ nicht mehr anwesend seien, gäbe es eine lebendige, gegenwärtige und unverzichtbare Gemeinschaft.

Hierzu sind Aussagen vieler großer Meister überliefert. Eine solche Wechselwirkung im Geist kommt laut Dōgen dann zustande, wenn die einzelnen Meister am lebendigen Buddha-Dharma teilhaben und sich daher umfassend intuitiv verstehen können. Man darf sich den Geist der ewigen Buddhas aber nicht als losgelöst von der Praxis vorstellen. Im Gegenteil: Durch die ausdauernde und intensive Praxis ergibt sich erst die Einheit von Körper und Geist. Der lebendige Geist dieser großen Buddhisten ist also keine historische Angelegenheit, sondern kraftvolle Energie der Gegenwart. Dōgen rät uns deshalb:

„Ihr solltet die Lebzeiten eines ewigen Buddhas erfahren und erforschen.“

Damit meint er, dass wir uns nicht mit einem vordergründigen Verstehen zufriedengeben sollen. Wir sollten uns nicht nur in schöne romantische Stimmungen über die alten Meister versetzen, sondern eine intuitive Einheit mit ihnen anstreben und verwirklichen.

Dann zitiert Dōgen seinen eigenen Meister Tendō Nyojō, der sagte:

„Ich bin dem ewigen Buddha Wanshi begegnet.“

Meister Wanshi lebte etwa 100 Jahre vor Tendō Nyojō, der sich sehr stark auf Wanshis lebendigen Geist stützte. Er war von dessen dauernder Anwesenheit und Klarheit durchdrungen. Dies sei nicht nur ein subjektives Gefühl, fügt Dōgen hinzu, sondern eine direkte und reale Gemeinschaft zweier bedeutender Zen-Meister, die große Hochachtung voreinander hatten und sich sehr eng verbunden fühlten. In diesem Sinne sagte Meister Engo Kokugon[i] über Daikan Enō:

„Ich verbeuge mich bis zum Boden vor dem wahren, ewigen Buddha Daikan Enō.“



[i] Meister Engo Kokugon lebte von 1063 bis 1135.