Dōgen fordert die Einheit von Theorie und Praxis, also von Denken, Fühlern,
Wahrnehmen und Handeln. Darüber hinaus komme es ganz wesentlich auf selbstloses
moralisches Handeln an, was in den Kapiteln über soziales Verhalten und über
das Handeln der Bodhisattvas beschrieben wird[1]. Nur
in der Einheit dieser vier Lebensbereiche kann es zum Erwachen oder zur
Erleuchtung des wahren Geistes kommen.
Dōgen nennt die Dharma-Reden von Gautama Buddha und von den wahren
Meistern die „königlichen Juwelen“ und bringt damit seine große Wertschätzung
zum Ausdruck. Außerdem hätte er selbst sicherlich keine umfangreichen Schriften
verfasst, die hauptsächlich auf seinen mündlichen Dharma-Reden beruhen, wenn er
der Lehre und dem Sprechen keinen hohen Stellenwert zugebilligt hätte.
Der Geist ist nach seiner Überzeugung „die Haut, das Fleisch, die Knochen und das Mark“ der großen Buddhas
und Meister, und er steht für die Einheit von Lehre, Natur und Geist:
„Das
Tiefgründige, mit dem die Buddhas und Vorfahren innig vertraut sind, umfasst
(auch) die Säulen und Steinlaternen im Freien. Das Wunderbare, worüber die
Buddhas und Vorfahren sprechen, sind die Weisheit und das Verstehen.“
Wenn die Wirklichkeit von Geist und Natur nicht mit Worten erklärt und
geäußert wird, kann sich das „wunderbare
Dharma-Rad nicht drehen“, hält Dōgen fest. Der Bodhi-Geist kann dann nicht erweckt werden,
obgleich er am Anfang des Buddha-Weges steht, und die Wahrheit der Lebewesen
und der Erde kann sich nicht erfüllen.
Er verbindet die Einheit von Geist und Natur mit den großen Ereignissen
der buddhistischen Geschichte in China und verdeutlicht dabei, dass man sie in
Worte fassen muss. Solche Gespräche müssen wir uns grundsätzlich wie die
bedeutenden Kōan-Dialoge vorstellen, die scheinbar
paradox sind, aber in Wirklichkeit Tiefgründiges zum Klingen bringen und
gerade nicht unvernünftig sind.
Sie überschreiten die Begrenztheit des unterscheidenden Verstandes, der
Aussagen von Existenz und Nicht-Existenz[2] und
der intellektuellen Scharfsinnigkeit, ohne in allgemeines magisches oder
mystisches Geschwätz abzugleiten. Dōgen rät gerade den sogenannten gewöhnlichen
Menschen, die sich nicht auf dem Buddha-Weg befinden, sich kritisch damit
auseinanderzusetzen, ob sie zur großen Wahrheit vorgedrungen sind oder nicht
und ob sie sich mit vordergründigen oder sogar eitlen Gesprächsformen
zufriedengeben.
Es nützt laut Dōgen nichts, wenn man die Trennung und Dualität von Geist und Natur nur abstrakt beschreibt und deren
Überwindung nur theoretisch fordert und darüber redet. In diesem Zusammenhang
kritisiert er besonders den Meister Sōkō, der die Einheit des Geistes mit dem
Körper, also mit den eigenen Händen, besonders im Handeln nicht erkannt und gelehrt habe. Die Weiterentwicklung nach dem
Erwachen habe Sōkō daher nicht verwirklichen können.
Dōgen zitiert Bodhidharma, der bestätigte, dass sein Schüler den
höchsten Zustand erlangt hatte, bei dem man die
Grenzen der
Worte klar erkennt,
aber gleichzeitig weiß, dass die
Sprache zum Ausdrücken und Lehren der Wirklichkeit unbedingt erforderlich ist. Wenn man es aufgibt, die Wirklichkeit
von Geist und Natur so weit wie möglich verbal auszudrücken, wird man den
höchsten Zustand niemals erreichen, betont Dōgen. Und er lobt Tozans Äußerung „Im Tod selbst ist kraftvolles Leben“.
Damit sei gemeint, dass sich durch den
„Tod der
vorgefassten Meinungen, Vorurteile und Täuschungen“
das kraftvolle Leben voll entfaltet. Eine solche Aussage gehe über die
subjektive Individualität eines Menschen hinaus und erreiche die Ebene einer
absoluten Aussage, die universell sei wie das Universum selbst. Der Ausdruck „kraftvolles Leben“ kennzeichnet das
Leben hier und jetzt in der klaren Wirklichkeit, das nicht überschattet wird
von schweren Gedanken über den zukünftigen Tod, die sich wie ein dunkler Vorhang vor die strahlende
Wirklichkeit des Hier und Jetzt schieben.
[1] ZEN Schatzkammer, Bd. 2, Kap. 33,
S. 80 ff.: „Der Bodhisattva des großen Mitgefühls und des Helfens (Kannon)“ und Kap. 45, S. 172 ff.: „Die vier Arten des sozialen Handelns
eines Bodhisattva (Bodaisatta shishōbō)“
[1] Vgl. Nagarjuna: Die Philosophie des
Mittleren Weges