Dōgen behandelt die Wirklichkeit und Einheit von Geist
und Natur als Essenz der buddhistischen Wahrheit, und er erklärt, wie man sie
mit Worten vermittelt. Was kann man mit Worten überhaupt sagen? Wie kann wir diese Einheit im menschlichen Dialog angehen? Ist das überhaupt möglich?
Im Zen-Buddhismus zur Zeit Dōgens, aber auch noch heute, halten es
manche Buddhisten für sinnlos oder sogar gefährlich, dass man die Wirklichkeit des Geistes und der Natur
mit Worten beschreibt und erläutert. Sie haben jedoch laut Dōgen nur halb
verstanden, was mit der Aussage „Der Geist
kann nicht erfasst werden“ tatsächlich gemeint ist. Zwar weist auch Dōgen
selbst häufig auf die wahre Wirklichkeit
jenseits vom unterscheidenden Denken und argumentativen Sprechen hin.
Aber die Lehre und Theorie des Buddha-Dharma müssen so weit wie möglich auch mit Worten und Gesten erklärt werden. Dōgen
betont im Shōbōgenzō, dass die Sūtras, also die geschriebene Lehre, sowie die mündlichen
Dharma-Vorträge der wahren Meister unbedingt
auf dem buddhistischen Weg erforderlich seien. Die grundsätzliche Ablehnung
von Worten und Erklärungen erweist sich damit als gefährliche Sackgasse.
Die Kritik Dōgens richtet sich aber auch gegen einseitige und abstrakte Theorien des Geistes, die
allein auf dem unterscheidenden Verstand basieren, sich von der Wirklichkeit abgelöst haben und keinen
Bezug zur Praxis besitzen. Auch eine abstruse, angeblich buddhistische Lehre,
die sich in Paradoxien, Widersprüchlichkeiten
und geheimnisvoller Esoterik gefällt,
sieht Dōgen nicht als hilfreich an.
Eine solche Lehre lehnt die Vernunft und Logik bei der buddhistischen
Theorie grundsätzlich ab. Die Vernunft
spielt aber gerade im Buddhismus von Dōgen und Nāgārjuna eine zentrale positive Rolle, sie reicht allerdings über abgehobenes
Theoretisieren hinaus.
Im
Buddhismus geht es für den Geist nicht zuletzt um den Bereich der intuitiven,
klaren Vernunft.
Es kommt also nicht darauf an, Lehre und Theorie abzulehnen, sondern ihren
eigentlichen Wert und Nutzen zu erkennen, gleichzeitig aber deren Grenzen klar
zu sehen und einzuhalten.
Das theoretische Verständnis der buddhistischen Lehre besitzt im
Einklang mit der Praxis des Zazen bei Dōgen einen sehr hohen Stellenwert. Er
arbeitet in aller Klarheit heraus, dass man den Geist jedoch nicht abstrakt und
isoliert verstehen darf. Er ist niemals von der Natur und dem Körper getrennt
und bezieht sich immer auf das Hier und Jetzt, also auf den Augenblick je in
der Gegenwart.
Wer seinen Geist nicht benutzen und nicht denken will, ist aus Dōgens
Sicht bequem und unbeweglich, um
nicht zu sagen denkfaul. Für Dōgen
ist die Wirklichkeit des Geistes und der Natur von zentraler Bedeutung für den
Buddha-Dharma. Er hält es für unerlässlich, dass sie im Gespräch zwischen
Lehrer und Schüler, zwischen den Schülern im Sangha und nicht zuletzt im Dialog
der Meister untereinander erläutert und ausgedrückt wird.
Als negatives Beispiel nennt Dōgen
den Zen-Meister Sōkō, der von 1089
bis 1163 lebte, also einer späten Phase des Zen-Buddhismus in China angehörte.
Diese Zeit zeigte aus Dōgens Sicht bereits erhebliche Verfallserscheinungen. Er kommentiert Sōkōs Reden kurz und bündig:
„Wer so
redet, hat die genauen (Anweisungen) der Buddhas und Vorfahren im Dharma nicht
verstanden, und er hat nichts von ihren königlichen Juwelen (der Dharma-Reden)
gehört. (Sōkō) spricht so, weil er den Geist nur auf das verstandesmäßige
Denken, Wissen und die sinnliche Wahrnehmung beschränkt. Er hat nicht gelernt,
dass auch das Denken, das Wissen und die Wahrnehmung (das natürliche Wirken)
des Geistes sind.“