Dōgen fordert die Einheit von Theorie und Praxis, also von Denken,
Wahrnehmen und Handeln. Darüber hinaus komme es ganz wesentlich auf selbstloses
moralisches Handeln an, was in den Kapiteln über soziales Verhalten und über
das Handeln der Bodhisattvas[i]
aufgezeigt wird. Nur in der Einheit dieser vier Lebensbereiche kann es zum
Erwachen oder zur Erleuchtung des wahren Geistes kommen.
Dōgen nennt die Dharma-Reden von
Gautama Buddha und den wahren Meistern die „königlichen Juwelen“ und bringt
damit seine große Wertschätzung zum Ausdruck. Außerdem hätte er selbst
sicherlich keine umfangreichen Schriften verfasst, die hauptsächlich auf seinen
mündlichen Dharma-Reden beruhen, wenn er der Lehre und dem Sprechen keinen
hohen Stellenwert gegeben hätte.
Der Geist ist nach seiner Überzeugung „die Haut, das Fleisch, die Knochen und das Mark“ der großen Buddhas
und Meister, und er steht für die Einheit von Lehre, Natur und Geist:
„Das
Tiefgründige, mit dem die Buddhas und Vorfahren innig vertraut sind, umfasst
(auch) die Säulen und Steinlaternen im Freien. Das Wunderbare, worüber die
Buddhas und Vorfahren sprechen, sind die Weisheit und das Verstehen.“
Wenn die Wirklichkeit von Geist und Natur nicht mit Worten erklärt und
geäußert wird, kann sich das „wunderbare Dharma-Rad nicht drehen“, hält Dōgen
fest. Der Bodhi-Geist kann dann
nicht erweckt werden, obgleich er am Anfang des Buddha-Weges steht, und die
Wahrheit der Lebewesen und der Erde kann sich nicht erfüllen.
Er verbindet die Einheit von Geist und Natur mit den großen Ereignissen
der buddhistischen Geschichte in China und verdeutlicht dabei, dass man sie in
Worte fassen muss. Solche Gespräche müssen wir uns grundsätzlich wie die
bedeutenden Kōan-Dialoge vorstellen, die scheinbar paradox sind, aber in
Wirklichkeit Tiefgründiges zum Klingen bringen und gerade nicht unvernünftig
sind. Sie überschreiten die Begrenztheit des unterscheidenden Verstandes und
der intellektuellen Scharfsinnigkeit, ohne in allgemeines magisches oder
mystisches Geschwätz abzugleiten.
Dōgen rät gerade den sogenannten gewöhnlichen Menschen, die sich nicht
auf dem Buddha-Weg befinden, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, ob sie
zur großen Wahrheit vorgedrungen sind oder nicht und ob sie sich mit
vordergründigen oder sogar eitlen Gesprächsformen zufriedengeben.
Es nützt laut Dōgen nichts, wenn man die Trennung und Dualität von Geist
und Natur nur abstrakt beschreibt und
deren Überwindung nur theoretisch fordert und darüber redet. In diesem
Zusammenhang kritisiert er besonders den Meister Sōkō, der die Einheit des
Geistes mit dem Körper, also mit den eigenen Händen, besonders im Handeln nicht erkannt und gelehrt habe.
Die Weiterentwicklung nach dem Erwachen habe Sōkō nicht verwirklicht.
Dōgen zitiert Bodhidharma,
der bestätigte, dass sein Schüler den höchsten Zustand erlangt hatte, bei dem
man die Grenzen der Worte klar erkennt,
aber gleichzeitig weiß, dass die Sprache zum Ausdrücken und Lehren der Wirklichkeit unbedingt erforderlich ist.
Wenn man es aufgibt, die Wirklichkeit von Geist und Natur so weit wie möglich verbal auszudrücken, wird man den höchsten
Zustand niemals erreichen, betont Dōgen. Und er lobt Tozans Äußerung „Im Tod selbst ist kraftvolles Leben“.
Damit sei gemeint, dass sich durch den
„Tod der vorgefassten Meinungen,
Vorurteile und Täuschungen“
das kraftvolle Leben voll
entfaltet. Eine solche Aussage gehe über die subjektive Individualität eines
Menschen hinaus und erreiche die Ebene einer absoluten Aussage, die universell
sei wie das Universum selbst.
Der Ausdruck „kraftvolles Leben“ kennzeichnet das
Leben hier und jetzt in der klaren Wirklichkeit, das nicht überschattet wird
von schweren Gedanken über den zukünftigen Tod, die sich wie ein dunkler
Vorhang vor die strahlende Wirklichkeit des Hier und Jetzt schieben. Das können
wir vermeiden, besonders bei der "German
Angst".
[i] ZEN Schatzkammer, Bd. 2, Kap. 33, S. 80 ff.: „Der
Bodhisattva des großen Mitgefühls und des Helfens (Kannon)“ und Kap. 45, S.
172 ff.: „Die vier Arten des sozialen Handelns eines Bodhisattva (Bodaisatta shishōbō)“