In dem berühmten
Kōan-Gespräch des Zen-Meisters Daisho und des indischen buddhistische Gelehrten
Sanzō geht es darum zu zu prüfen, ob Sanzō selbst überhaupt die Kraft und
Klarheit hat, sich grundsätzlich mit dem wahren Geist, hier des Meisters
Daisho, anderer zu beschäftigen und wesentliche Inhalte oder Bereiche dieses
Geistes zu „erkennen“.
Darauf aufbauend kann es
dann zu einem fruchtbaren und kreativen
Dialog kommen. So vermute ich, dass Meister Daisho durchaus die Hoffnung
hatte, ein weiterführendes Kōan-Gespräch
mit dem Inder zu führen, um sich seinerseits von ihm anregen zu lassen.
Eine solche Situation wird
häufig in den Kōan-Geschichten überliefert, denn sie sind keine einseitige
Dharma-Lehre eines Meisters, sondern gewinnen ihre Kraft im Dialog, wobei
scheinbare oder tatsächliche Gegensätze von zentraler Bedeutung sind und
weiterführen: das ist die Einheit der Differenz. Nicht zuletzt gewinnen die
Kōans dadurch für nachfolgende Schüler ihre große pädagogische Kraft.
In ähnlicher Weise lässt sich
die Wirkung der philosophischen Dialoge des griechischen Denkers Platon erklären, der seine Lehre nicht
systematisch, sondern weitgehend in Form von Dialogen konzipierte und an die
Nachwelt übermittelte. Dabei liegt jedoch ein gravierender Unterschied zu den
Kōan-Gesprächen des Zen vor: Platons Dialoge werden von fingierten Gesprächspartnern geführt, sie entspringen also allein
seinem eigenen Geist, es findet kein
realer geistiger Austausch zweier
verschiedener Menschen statt.
Die Partner in den meisten
Kōan-Gesprächen haben eine solide gemeinsame Basis der Lehre und Praxis, die
bei dem Inder Sanzō allerdings fehlt. Deshalb ist es hier schwierig, überhaupt
einen inhaltsreichen und weiterführenden Dialog zu führen.
Niklas Luhmann nennt dies
die „Anschlussqualität“ des einen
Gesprächspartners, die kreative Impulse für den anderen setzt, sodass dadurch
eine wirkliche, innovative Kommunikation in Gang kommt, die mehr ist als die Addition des Denkens
und Wissens der Einzelnen.
Eine solche soziale
Kommunikation hat m. E. auch der Philosoph und Sozialkritiker Habermas im Sinn;
er betont dabei die repressionsfreie
Dialogführung. Allerdings fehlt bei ihm häufig ein wirklicher Dialog mit
fundierten Antithesen, sodass die von ihm herausgearbeitete Fundmentalkritik zuweilen
einseitig bleibt. Eine ausgewogene Argumentation würde für Manche vielleicht
fruchtbarere Anregungen ergeben und Ähnlichkeiten zum Mittleren Weg aufweisen.
Manche Schriften aus seinem Umfeld verlieren sich ganz in polemisch
überspitzten Kritiken, die keine weitere Dialektik mehr zulassen und aus
buddhistischer Sicht eher als Hemmnis einzuschätzen sind, das im Sūtra über die
Grundlagen der Achtsamkeit als Zweifelsucht bezeichnet wird.[i]
Wenn Sanzō in der Lage gewesen
wäre, die Frage von Meister Daisho wirklich aufzunehmen, hätte er durch seine
eigene Erfahrung der Lehre und Praxis den wahren buddhistischen Geist kreativ
ausdrücken und indische Kulturströmungen einbringen können. Das war aber nicht
der Fall.
Dōgen analysiert die Frage
Daishos in Form von Teilfragen –
"Was ist dieser alte Mönch?“,
„Genau jetzt ist welche Art von Augenblick?“ –
und der berühmten Aussage im
Zen über den Menschen:
„Dies ist ein Ort, wo etwas Unfassbares
existiert“.
Denn der Meister ist etwas
Unfassbares, das niemals durch Worte und Denken vollständig erfasst werden kann, so wichtig unsere Sprache in der
Tat ist. Körper-und-Geist sind einerseits ganz real und können nicht als pure
Ideen oder Vorstellungen wegdiskutiert werden, aber andererseits sind sie mit dem
analytischen Verstand und verbalen Beschreibungen nicht voll auszuloten.
Dōgen kritisiert an Sanzō
nicht nur dessen konkrete eigenartigen Antworten, sondern stellt fest, dass
Sanzō sich nicht ansatzweise auf dem Niveau
des damaligen Chan-Buddhismus Chinas bewegen kann und überhaupt keine
Voraussetzung für einen Dialog mitbringt. Dōgen fragt weiter, wie es überhaupt
möglich sei, sich anzuschicken, den Geist eines anderen Meisters zu beurteilen
und zu erkennen, wenn man nicht einmal Klarheit
über seinen eigenen Körper und Geist hat. Und eine solche Klarheit benötigt die
Praxis des Zazen:
"Das Denken aus dem
Nicht-Denken"