Den Augenblick, wenn sich
zwei Menschen jäh und wirklich begegnen, vergleicht Dōgen damit, dass der
Frühling die Frühlingszeit des Augenblicks trifft und dass sich eine solche
Weisheit ohne großartige Planung und ohne egoistische Absicht unmittelbar
ereignet. Denken und Bewusstsein spielen dabei eine untergeordnete Rolle, und
es ist unwichtig, ob ein solcher Vorgang im Augenblick bewusst ist oder nicht.
„Das ES ereignet sich, weil der
Körper-und-Geist (der Menschen), die solche Weisheit haben, schon nicht ihr
eigener ist. Dies ist der Zustand, von dem es heißt, der Mensch könne vertrauen und sofort verstehen.“
Bei unseren oft nutzlosen
und planlosen Anstrengungen des Lebens wissen wir nicht, dass wir diese Perle der
Weisheit und des klaren Zen-Geistes, der den Körper einschließt, besitzen. Dōgen
spricht davon, dass dieser Körper-und-Geist einem Juwel gleicht, der von einem
ganz gewöhnlichen Stein umschlossen ist.
Und weder der äußere Stein
noch der innere Juwel wissen voneinander, denn der Juwel ist noch nicht zur
klaren Wirklichkeit geworden. Eine solche Verwirklichung bedarf jedoch nicht
des angehäuften Wissens und nicht der intellektuellen Schärfe des Verstandes.
Es gibt die Worte: "Jene
(Menschen), die ohne Weisheit sind und (immer) zweifeln, verlieren (die
Weisheit des Geistes) für immer.“
Nishijima und Cross erklären
an dieser Stelle unmissverständlich:
„Verwirklichung im Zazen ist zum
Beispiel die innewohnende Funktion des Menschen, die den erlernten mentalen
Fähigkeiten wie Erwartung, Wissen und Denken überlegen ist.“[i]
Solche Augenblicke des
Zen-Geistes sind von unmittelbarer Kraft
und Klarheit. Dōgen vergleicht sie mit der Existenz der Pinien im Frühling
und den Chrysanthemen im Herbst. Diese Augenblicke sind keine Idealisierungen,
Fantasiegebilde oder spektakuläre Visualisierungen. Sie sind von direkter
Energie und Kraft wie der Schuss, der sich vom Bogen wie von selbst löst und
nicht den geringsten Raum für Zweifel oder intellektuelle Spitzfindigkeiten
lässt.
„Weil (Daikan Enō) ein Mensch des Es
ist, ist er erleuchtet.“
Dōgen schildert die
berühmte Begegnung von Daikan Enō (Hui Neng) mit dessen eigenen Meister, die
deshalb etwas ganz Besonderes ist, weil Daikan Enō nicht als angesehener Mönch im Kloster
lernte und praktizierte. Dazu fehlten ihm die formalen Voraussetzungen, deshalb
lebte er nur als einfacher Arbeiter im hinteren Teil des Klosters und hatte die
Aufgabe, Reis für die Anderen zu stampfen und zu sieben.
Eines Tages kam sein Meister
Daiman um Mitternacht heimlich, ohne
dass es die anderen Mitglieder des Klosters bemerkten, in den Raum, wo Daikan
Enō arbeitete, und fragte ihn, ob der Reis schon weiß sei oder nicht. Daikan Enō
antwortete:
„Er ist
weiß, aber noch nicht gesiebt.“
Das war der große Augenblick
des gemeinsamen ES! Erstaunlicherweise ergriff sein Meister Daiman daraufhin
selbst den Reisstößel und stampfte einmal in den Mörser; Daikan Enō siebte dann
den Reis mit dem geflochtenen Korb: Nicht
zwei sondern einer.
Laut der Überlieferung war
dies der Augenblick, als der Zustand der Wahrheit des Zen-Geistes zwischen dem
Meister und dem Schüler zur Einheit kam. Es war ihnen selbst wohl nicht
bewusst, und es übersteigt das Verstehen anderer. Aber die Übertragung des
Dharma und die Übertragung der buddhistischen Robe fanden genau in diesem Augenblick der Wirklichkeit statt. Und damit nahm das "goldenen Zeitalter" des Zen-Buddhismus seinen Lauf.