Samstag, 7. Januar 2017

Buddha-Natur und die Meditation des Zazen - Wirklichkeit



Dôgen spricht aus seiner eigenen tiefen Erfahrung des Samâdhi und der Zazen-Praxis: Im Zustand der Vertiefung in der Meditation erfährt man direkt und ohne intellektuelle Umwege und Sackgassen die Buddha-Natur.

Durch Denken und Überlegungen kann man die Buddha-Natur nicht erleben und erfahren: Theorie ist dabei oft eine Sackgasse, aus der man sich nicht so leicht befreien kann. Nishijima Roshi empfiehlt daher ohne Wenn und Aber, jeden Tag Zazen zu praktizieren, das sei die tägliche Verwirklichung der Buddha-Natur!.

Dabei geht es im Zen vor allem um die Vierte Vertiefung nach der buddhistischen Lehre Das ist der gegenstandslose und affektfreie Zustands des Zazen, bei dem Leid und oberflächliche Freude verschwunden sind – das reine Sitzen im Lotossitz (Shikantaza). Dieses konkrete Sitzen im Samâdhi setzt Dôgen also mit der Buddha-Natur gleich, denn dabei erfahren und erleben wir direkt unsere eigene wirkliche Natur, die der Umgebung und des ganzen Universums.[i]

In einem Gedicht des bekannten indischen Meisters Ashvaghosha heißt es, dass der Samâdhi auf der Buddha-Natur „beruht“. Dôgen stimmt dem nicht zu und betont ohne Umschweife, dass wir die Begriffe und Vorstellungen von beruhen, abhängig und unabhängig sein, überschreiten müssen. Wenn der Samâdhi nur auf der Buddha-Natur beruhen würde. müssten beide irgend wie getrennt oder sogar unabhängig voneinander sein. Aber das ist nicht möglich. In der Welt der Begriffe und der Sprache können wir die Buddha-Natur nicht selbst erfahren und es entstehen häufige Irrtümer. Begriffe können bestenfalls auf die Wirklichkeit hinweisen, wie der Finger auf den Mond zeigt, aber sie sind nicht die Wirklichkeit selbst.

Das Selbe gilt für die sogenannten sechs mystischen "übernatürlichen" Kräfte, sie dürfen ebenfalls nicht dogmatisch und materiell verstanden werden, sondern sind symbolhafte Beschreibungen.

Dôgen de-konstruiert und erweitert also die tradierten Bedeutungen, überschreitet einen illusionären Mystizismus und stellt das ganz Konkrete in den Mittelpunkt. Damit werden dogmatisierte buddhistische Begriffe und Vorstellungen entschlackt und zu neuem Leben erweckt.[ii]

Wir erkennen unschwer die gleiche Motivation wie bei Meister Nâgârjuna, der in seiner Zeit ähnlich handelte. Dadurch wurden Fehlentwicklungen des Buddhismus destruiert und die verlässliche Basis für seine Weiterentwicklung geschaffen.

Im alten China verwendete man für etwas Konkretes die für uns eigenartig klingende Formulierung „drei und drei davor und drei und drei dahinter“.[iii] Damit werden konkrete und reale Ereignisse gekennzeichnet, die im Gegensatz zu abstrakten Begriffen oder Ideen stehen.[iv] Wir müssen uns immer wieder davor hüten, die wörtlichen, oft übersetzten Zitate aus der Geschichte des Buddhismus zu dogmatisieren, zu abstrahieren und subjektiv zu verändern.

Dôgen betont, dass wir die konkreten Gegebenheiten im Augenblick in den Mittelpunkt stellen müssen, denn genau diese umfassen den Ozean der Buddha-Natur.[v]





[i] Nishijima, Gudo Wafu; Seggelke, Yudo J.: Die Kraft der ZEN-Meditation. Im Auge des Zen, Bd. 4
[ii] Kap. 25, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 221 ff.: „Die mystische Kraft des Lebens und Universums (Jinzû)“
[iii] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 27
[iv] Kap. 25, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 221 ff.: „Die mystische Kraft des Lebens und Universums (Jinzû)“
[v] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 88