Dôgen spricht aus seiner
eigenen tiefen Erfahrung des Samâdhi
und der Zazen-Praxis: Im Zustand der Vertiefung in der Meditation erfährt man
direkt und ohne intellektuelle Umwege und Sackgassen die Buddha-Natur.
Durch Denken und
Überlegungen kann man die Buddha-Natur nicht erleben und erfahren: Theorie ist dabei
oft eine Sackgasse, aus der man sich nicht so leicht befreien kann. Nishijima Roshi empfiehlt daher ohne
Wenn und Aber, jeden Tag Zazen zu praktizieren, das sei die tägliche Verwirklichung
der Buddha-Natur!.
Dabei geht es im Zen vor
allem um die Vierte Vertiefung nach der buddhistischen Lehre Das ist der gegenstandslose und affektfreie Zustands
des Zazen, bei dem Leid und oberflächliche Freude verschwunden sind – das reine
Sitzen im Lotossitz (Shikantaza).
Dieses konkrete Sitzen im Samâdhi setzt Dôgen also mit der Buddha-Natur gleich,
denn dabei erfahren und erleben wir direkt unsere
eigene wirkliche Natur, die der Umgebung und des ganzen Universums.[i]
In einem Gedicht des
bekannten indischen Meisters Ashvaghosha
heißt es, dass der Samâdhi auf der Buddha-Natur „beruht“. Dôgen stimmt dem nicht zu und betont ohne Umschweife,
dass wir die Begriffe und Vorstellungen von beruhen,
abhängig und unabhängig sein, überschreiten müssen. Wenn der Samâdhi nur
auf der Buddha-Natur beruhen würde. müssten beide irgend wie getrennt oder
sogar unabhängig voneinander sein. Aber das ist nicht möglich. In der Welt der Begriffe und der Sprache können
wir die Buddha-Natur nicht selbst erfahren und es entstehen häufige Irrtümer.
Begriffe können bestenfalls auf die Wirklichkeit hinweisen, wie der Finger auf
den Mond zeigt, aber sie sind nicht die Wirklichkeit selbst.
Das Selbe gilt für die
sogenannten sechs mystischen "übernatürlichen" Kräfte, sie dürfen
ebenfalls nicht dogmatisch und materiell verstanden werden, sondern sind
symbolhafte Beschreibungen.
Dôgen de-konstruiert und erweitert
also die tradierten Bedeutungen, überschreitet einen illusionären Mystizismus
und stellt das ganz Konkrete in den
Mittelpunkt. Damit werden dogmatisierte buddhistische Begriffe und
Vorstellungen entschlackt und zu
neuem Leben erweckt.[ii]
Wir erkennen unschwer die
gleiche Motivation wie bei Meister Nâgârjuna,
der in seiner Zeit ähnlich handelte. Dadurch wurden Fehlentwicklungen des
Buddhismus destruiert und die verlässliche Basis für seine Weiterentwicklung
geschaffen.
Im alten China verwendete
man für etwas Konkretes die für uns eigenartig klingende Formulierung „drei und
drei davor und drei und drei dahinter“.[iii] Damit
werden konkrete und reale Ereignisse gekennzeichnet, die im Gegensatz zu
abstrakten Begriffen oder Ideen stehen.[iv] Wir
müssen uns immer wieder davor hüten, die wörtlichen, oft übersetzten Zitate aus
der Geschichte des Buddhismus zu dogmatisieren, zu abstrahieren und subjektiv
zu verändern.
Dôgen betont, dass wir die konkreten
Gegebenheiten im Augenblick in den Mittelpunkt stellen müssen, denn genau diese
umfassen den Ozean der Buddha-Natur.[v]
[i] Nishijima, Gudo Wafu; Seggelke, Yudo J.: Die Kraft der ZEN-Meditation. Im Auge
des Zen, Bd. 4
[ii] Kap. 25, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 221 ff.: „Die
mystische Kraft des Lebens und Universums (Jinzû)“
[iii] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 27
[iv] Kap. 25, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 221 ff.: „Die
mystische Kraft des Lebens und Universums (Jinzû)“
[v] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 88