In diesem Kapitel des MMK
gibt Nagarjuna einen Einstieg, wie wir auf dem Mittleren Weg mit starken Gefühlen, Affekten, Erregung,
großer Liebe, großem Mitgefühl und letztlich mit Gier, Neid und Hass im
Buddhismus richtig umgehen können und welche Doktrinen wir vor Allem
destruieren sollten. Es ist klar, dass wir Extreme vermeiden sollten, um uns
und anderen nicht zu schaden und unsere eigene Befreiung voran zu bringen.
In Sanskrit verwendet der
Autor den Begriff raga, der aus Farbe und Färben abgeleitet ist: Wie werden Geist, Psyche und Körper durch
Affekte, große Gefühle oder durch emotionale Fesseln und eruptive Durchbrüche
verändert und gefärbt? Wie kann man
sie steuern? Und weiter: Welches belastbare buddhistische Wissen gibt es dazu
und was ist falsches Schein-Wissen, das heute im Internet auch als fake bezeichnet wird?
Fake-Informationen sind zunehmend
zum drückenden Problem geworden, davon ist auch der Buddhismus leider nicht
ausgenommen. Schnell-Erleuchtung ist ein
wenn auch wirkungsloses Markt-Produkt geworden. In diesem Sinne ist es daher
unsere Aufgabe, die tradierte verzerrte Lehre der Erregung und emotionaler
Extreme gründlich zu entschlacken.
Buddha nennt bei den Hemmnissen des Erwachens Folgendes:„auf
Sinnlichkeit gerichtetes Wollen“ sowie „Aufgeregtheit und Unruhe“, also
materiell-sinnliche Gier und psychische Hektik. Sie sind oft unbewusst und
können von manchen nicht mehr gesteuert werden. Das sind auch in der heutigen
Zeit wichtige Probleme, die nicht einfach wegdiskutiert werden können.
Dem stellt Buddha bei den
sieben Faktoren des Erwachens die
Achtsamkeit, Energie, Gestilltheit und vor Allem die Freude gegenüber. Damit
gibt er die Richtung für unserer Weiter-Entwicklung vor, nämlich die
Überwindung von Kummer, Jammer, Gram Verzweiflung, Angst, Stress, Hoffnungslosigkeit
und Zukunfts-Horror, unter denen heute so viele Menschen zu leiden haben. Bei
der Betrachtung unserer Gefühle rät uns Buddha mit Achtsamkeit zu erkennen:“ Ein freudiges Gefühl empfinde ich“
oder „ein leidiges Gefühl empfinde ich".
Wichtig ist es deren Entstehen und Vergehen zu betrachten und
zu „verstehen“, um daraus für die Gestaltung und Veränderung des eigenen Lebens
Klarheit zu gewinnen: So werden neue Impulse und Energien wirksam. Dabei
ergeben sich die Kraft, Motivation und
der Mut zur Veränderung besonders durch Freude
und nicht durch depressive und zerstörerische Selbst-Vorwürfe, wie manche verzerrt tradierte Religionen uns
vielleicht weismachen wollen!
Wie baut der Autor nun
dieses kurze und wichtige Kapitel auf?
Er beschreibt die
vor-buddhistische Auffassung, dass Erregung
und der erregte Mensch verschiedene und getrennte Sachen und
Entitäten seien. Das hört sich kompliziert an. Was soll damit gesagt werden? Die
Erregung wird dabei wie eine getrennte Wesenheit verstanden, die herbeikommt,
den Menschen ergreift oder in ihn fährt.
Die Teufel von Arezzo
Das erscheint recht skurril, ist aber auch in unserer Kultur in ähnlicher Form durchaus zu finden: Es erinnert mich an das berühmte mittelalterliche Bild der italienischen Stadt Arezzo, wo der heilige Franziskus die Teufel austreibt, die in die Bürger eingefahren waren. Die Menschen waren von den Teufeln besessen, die von ihnen getrennte böse Wesenheiten waren. Nach der Austreibung waren die Menschen von ihnen befreit und hatten ihre ursprüngliche Natur zurück gewonnen. Die Austreibung wurde nicht von ihnen selbst geleistet, sondern bedurfte einer höheren Macht. Nach dem Bild war es so möglich, dass die Teufel wieder ausgetrieben wurden: Und man sieht sie über den Dächern von Arezzo fliegend und zerknirscht verschwinden.
Mir drängt sich der Vergleich mit Nagarjunas praktischer Philosophie auf: Die teuflischen Doktrinen sind wie die obigen Teufel schon immer irgendwo vorhanden und die Menschen sind dann noch natürlich und frei von den Täuschungen. Dann kommen die Doktrinen durch Erregung und Verlust der Mitte herbei, fahren in die Menschen ein und besetzen sie von innen: Die Menschen sind dann von den teuflischen Ideen, Vorurteilen, Konzepten und Spekulationen besessen. Durch den Mittleren WEG Buddhas und durch eigenes Handeln werden diese schädlichen Doktrinen wirkungsvoll vertrieben und die Menschen können erwachen. Sie haben sich befreit und sind leer von den teuflischen täuschenden Doktrinen.
Die Teufel von Arezzo
Das erscheint recht skurril, ist aber auch in unserer Kultur in ähnlicher Form durchaus zu finden: Es erinnert mich an das berühmte mittelalterliche Bild der italienischen Stadt Arezzo, wo der heilige Franziskus die Teufel austreibt, die in die Bürger eingefahren waren. Die Menschen waren von den Teufeln besessen, die von ihnen getrennte böse Wesenheiten waren. Nach der Austreibung waren die Menschen von ihnen befreit und hatten ihre ursprüngliche Natur zurück gewonnen. Die Austreibung wurde nicht von ihnen selbst geleistet, sondern bedurfte einer höheren Macht. Nach dem Bild war es so möglich, dass die Teufel wieder ausgetrieben wurden: Und man sieht sie über den Dächern von Arezzo fliegend und zerknirscht verschwinden.
Mir drängt sich der Vergleich mit Nagarjunas praktischer Philosophie auf: Die teuflischen Doktrinen sind wie die obigen Teufel schon immer irgendwo vorhanden und die Menschen sind dann noch natürlich und frei von den Täuschungen. Dann kommen die Doktrinen durch Erregung und Verlust der Mitte herbei, fahren in die Menschen ein und besetzen sie von innen: Die Menschen sind dann von den teuflischen Ideen, Vorurteilen, Konzepten und Spekulationen besessen. Durch den Mittleren WEG Buddhas und durch eigenes Handeln werden diese schädlichen Doktrinen wirkungsvoll vertrieben und die Menschen können erwachen. Sie haben sich befreit und sind leer von den teuflischen täuschenden Doktrinen.
In ähnlicher Weise beschreibt
Nagarjuna die altindische Doktrin einer getrennten "Erregung" (Entität), die fast einer eigenen Wesenheit
gleicht, und dann mit dem Menschen zusammenkommt und ihn so erfasst. Damit wird
ein psychischer Prozess körperlich und sogar materiell verstanden. Daraus
ergeben sich spitzfindige theoretische philosophische Fragen, ob die Erregung
vor dem Menschen da war und ihn dann ergriffen hat oder ob die Erregung umgekehrt
erst später hinzu gekommen ist. Wenn die Erregung nun den Menschen ergriffen
hat, stellt sich weiter die Frage: Sind die Erregung und der erregte Mensch
dann eine Einheit oder nicht? Das ist im Übrigen die Frage von Identität oder
Verschiedenheit, die auch in der westlichen Philosophie diskutiert wird
Buddha lehrte nun im
Achtfachen Pfad ganz direkt, wie wir uns selbst befreien und emanzipieren
können und verzichtet auf philosophische Spitzfindigkeiten, die praktisch wenig
helfen. Auch Nagarjuna macht deutlich, dass er von derartigen Wesenheiten und
Verdinglichungen psychischer Prozesse wenig hält. Aus der Gehirnforschung
wissen wir, dass es um Bahnungen und synaptische Spuren im neuronalen Netz und
deren Veränderungen geht. Damit ist auch wissenschaftlich begründet, dass die
dargestellte Philosophie von getrennten Entitäten
der Erregung wenig bringt.
Die weiteren von Nagarjuna behandelten
theoretischen Themen sollen hier nur aufgezählt und nicht im Einzelnen
behandelt werden: Kann es überhaupt einen Erregten geben, der immer und dauernd
ein Erregter ist? Es könne keine Erregung geben, wenn kein erregter Mensch
existiert. Und was ist der Fall, wenn Erregung und Erregter zwar gleichzeitig
aber unabhängig und getrennt von
einander „aufkommen". Kann man Erregung und erregten Mensch wie "Gefährten" verstehen oder
nicht?
Nagarjuna spricht die damalige
buddhistische Doktrin an: Geht es um das
erwünschte Ziel, dass zunächst getrennte
dauerhafte Entitäten von erregtem Mensch und Erregung angenommen würden,
die dann durch den Buddhismus wunderbar vereint
würden.
Schließlich verallgemeinert
Nagarjuna den obigen entschlackten Zusammenhang auf alle Dinge, Phänomene und
Prozesse (Dharmas) dieser Welt: Es gäbe in
der Wirklichkeit nicht die totale Gleichheit und nicht den totalen
Unterschied. Das sei ein Problem unseres Denkens oder unserer Sprache aber
nicht der unteilbaren Wirklichkeit. Dies wurde im Zen-Buddhismus später weiter pragmatisch
vertieft, soll hier aber nicht weiter behandelt werde.
Zusammenfassend kann gesagt
werden: Narajuna lehnt eine Doktrin metaphysischer
gesonderter Entitäten für Erregung, Affekte und starke Gefühle, die
getrennt von uns angeblich irgendwo existieren, und uns dann überfallartig wie eine Krake ergreifen
oder uns ohne Gegenwehr überschwemmen, ab. Sie stimme mit dem authentischen Buddhismus
nicht überein. Dabei möchte ich noch einmal an die mittelalterliche bildliche
Darstellung der von Teufeln besessenen Menschen von Arezzo erinnern, die dann
befreit werden. Es hat als Bild natürlich seine religiöse Kraft und Bedeutung
und soll keineswegs herabgemindert werden.
Allerdings führt uns der buddhistische
WEG der Befreiung und Emanzipation in konkreter Weise durch den Achtfachen Pfad
Buddhas zum Gleichgewicht, zur Selbst-Steuerung und Selbst-Kontrolle. Er überwindet
die Abhängigkeit von Erregungs-Zuständen oder explodierenden Affekten und umfasst
ganz konkret: Rechte Sichtweise, rechte
Rede, rechtes Handeln, rechter Lebenswandel, rechte Bemühung, rechte
Achtsamkeit und rechte Sammlung (Meditation). Er kann am besten als „gemeinsames Entstehen in Wechsel-Wirkung“
verstanden und gegangen werden.