Dienstag, 31. Januar 2017

Der buddhistische Name ist WAS?


Laut Nishijima Roshi ist Leerheit auch und besonders das Gleichgewicht im Zazen, der Leerheits-Meditation. Dann erlangt ein Mensch die Wahrheit über Leben und Kosmos, ist also in diesen Augenblicken erleuchtet. Der Begriff der Leerheit geht vor allem auf den großen indischen Meister Nâgârjuna zurück, der nach etwa 700 Jahren den Buddhismus gründlich entschlackte und den weiteren Ablauf des Buddhismus in Indien, China und Japan und damit auch bei uns im Westen fundamental beeinflusste.

Dôgen betont, dass die Leerheit einen freien Menschen ausmacht, der die Täuschungen und Begrenzungen des herkömmlichen Denkens und der eingeengten Weltanschauungen überwunden hat. Freiheit ist die Freiheit im Augenblick des umfassenden intuitiv-klugen Geistes. Das ist die Freiheit im gesamten Raum des wirklich Möglichen, der mit dem unterscheidenden Denken nicht ausgeleuchtet und verstanden werden kann.

Meister Dai-i erkannte aus dem Gespräch und aus der ganzen Erscheinung des jungen ungewöhnlichen Daiman, dass dieser „ein Gefäß des Dharma“ sei und nahm ihn als ganz jungen Mönch in sein Kloster auf. Später wurde er sein Nachfolger und Linienhalter, erhielt also von ihm die Dharma-Übertragung. Daiman übergab den wahren Dharma dann weiter an den großen Daikan Enô (chinesisch Hui Neng), den sechsten Nachfolger im Dharma, der den Zen-Buddhismus nicht zuletzt durch mehrere hervorragende Nachfolger in China weit verbreitete und aus meiner Sicht das goldene Zeitalter des Zen einleitete, von dem wir heute noch zehren.

Dôgen untersucht die Frage, was der Name ist – dabei drückt er sich so aus: „Dein Name ist Was!“ Diese ungewöhnliche Formulierung beinhaltet weit mehr als die Frage nach dem Familiennamen, den wir von unseren Eltern erhalten und an den wir uns im Laufe des Lebens gewöhnt haben. Wir denken meist, dass er unser Wesen oder Ego bezeichnet. Ist das richtig?

Aber dieser Name ist nach Dôgens Verständnis letztlich nicht so wichtig, wenn es um den Menschen und sein wahres sich entwickelndes Wesen geht. Der Name ist gewissermaßen nur das äußere Etikett für das lebendige Wesentliche. Als ich in die Sangha von Nishijima Roshi eintrat, bekam ich z. B. einen neuen Namen, abgekürzt Yudo.

Ein ähnliches Verständnis ist von Daikan Enô überliefert. Er sagte in einem berühmten Kôan-Gespräch mit seinem Nachfolger Nangaku über den erwachten Zustand: „Ich bin Das und du bist auch Das.“ Klingt eigenartig! Er meinte damit etwas, das mit Worten und Denken nicht zu erfassen ist, nämlich das wahre Wesen des Menschen, also die Buddha-Natur.[i]

Ein entsprechendes Zitat stammt von Alara, dem zweiten spirituellen Lehrer Gautama Buddhas, bevor er seine eigenen Übungen machte. Alara sagte zu Buddha, dass er seine Lehre verwirklicht habe: „So wie ich bin, so bist du; so wie du bist, bin ich.[ii] Bekanntlich war Gautama Buddha jedoch mit der Lehre und vor allem der Praxis des Meisters nicht zufrieden, denn sie "funktionierte" nicht im praktischen Alltag sondern nur unter Sonder-Bedingungen bei der Meditation selbst.

Daher suchte er weiter nach dem Weg zur Befreiung von dem Leiden und den großen Problemen des Lebens. Alara realisierte wohl bestimmte Meditationszustände mit einer gewissen Tiefe und Klarheit, sie hielten jedoch nur in der Zeit der Meditation selbst an. Für das Leben im Alltag des Hier und Jetzt war diese Lehre weniger geeignet. Aber gerade darauf kommt es doch an.



[i] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 1, Kap. 7 und 62
[ii] Shinji Shobogenzo, Bd. 2, Nr. 1; Kap. 7: „Sich waschen und den Körper-Geist reinigen (Senjō)“; Kap. 62, ZEN Schatzkammer, Bd. 3, S. 34 ff.: „Das umfassende Erforschen der buddhistischen Lehre und Praxis (Hensan)“