Laut Nishijima Roshi ist Leerheit auch und besonders das
Gleichgewicht im Zazen, der Leerheits-Meditation.
Dann erlangt ein Mensch die Wahrheit über Leben und Kosmos, ist also in diesen
Augenblicken erleuchtet. Der Begriff der Leerheit geht vor allem auf den großen
indischen Meister Nâgârjuna zurück, der nach etwa 700 Jahren den Buddhismus gründlich entschlackte und den weiteren
Ablauf des Buddhismus in Indien, China und Japan und damit auch bei uns im
Westen fundamental beeinflusste.
Dôgen betont, dass die
Leerheit einen freien Menschen
ausmacht, der die Täuschungen und
Begrenzungen des herkömmlichen Denkens und der eingeengten Weltanschauungen
überwunden hat. Freiheit ist die Freiheit
im Augenblick des umfassenden intuitiv-klugen Geistes. Das ist die Freiheit
im gesamten Raum des wirklich Möglichen, der mit dem unterscheidenden Denken nicht ausgeleuchtet und verstanden werden
kann.
Meister Dai-i erkannte aus
dem Gespräch und aus der ganzen Erscheinung des jungen ungewöhnlichen Daiman,
dass dieser „ein Gefäß des Dharma“ sei
und nahm ihn als ganz jungen Mönch in sein Kloster auf. Später wurde er sein
Nachfolger und Linienhalter, erhielt also von ihm die Dharma-Übertragung. Daiman übergab den wahren Dharma dann weiter an
den großen Daikan Enô (chinesisch Hui Neng), den sechsten Nachfolger im Dharma,
der den Zen-Buddhismus nicht zuletzt durch mehrere hervorragende Nachfolger in
China weit verbreitete und aus meiner Sicht das goldene Zeitalter des Zen einleitete, von dem wir heute noch zehren.
Dôgen untersucht die Frage, was der Name ist – dabei drückt er sich so aus: „Dein Name ist Was!“ Diese ungewöhnliche Formulierung beinhaltet
weit mehr als die Frage nach dem Familiennamen,
den wir von unseren Eltern erhalten und an den wir uns im Laufe des Lebens
gewöhnt haben. Wir denken meist, dass er unser Wesen oder Ego bezeichnet. Ist
das richtig?
Aber dieser Name ist nach
Dôgens Verständnis letztlich nicht so wichtig, wenn es um den Menschen und sein
wahres sich entwickelndes Wesen geht. Der Name ist gewissermaßen nur das äußere Etikett für das lebendige Wesentliche.
Als ich in die Sangha von Nishijima Roshi eintrat, bekam ich z. B. einen neuen
Namen, abgekürzt Yudo.
Ein ähnliches Verständnis
ist von Daikan Enô überliefert. Er sagte in einem berühmten Kôan-Gespräch mit
seinem Nachfolger Nangaku über den erwachten Zustand: „Ich bin Das und du bist auch Das.“ Klingt eigenartig! Er meinte
damit etwas, das mit Worten und Denken nicht zu erfassen ist, nämlich das wahre
Wesen des Menschen, also die Buddha-Natur.[i]
Ein entsprechendes Zitat stammt
von Alara, dem zweiten spirituellen
Lehrer Gautama Buddhas, bevor er seine eigenen Übungen machte. Alara sagte zu
Buddha, dass er seine Lehre verwirklicht habe: „So wie ich bin, so bist du; so wie du bist, bin ich.“[ii] Bekanntlich
war Gautama Buddha jedoch mit der Lehre und vor allem der Praxis des Meisters
nicht zufrieden, denn sie "funktionierte"
nicht im praktischen Alltag sondern nur unter Sonder-Bedingungen bei der
Meditation selbst.
Daher suchte er weiter nach
dem Weg zur Befreiung von dem Leiden und
den großen Problemen des Lebens. Alara realisierte wohl bestimmte Meditationszustände mit einer gewissen
Tiefe und Klarheit, sie hielten jedoch nur in der Zeit der Meditation selbst
an. Für das Leben im Alltag des Hier
und Jetzt war diese Lehre weniger geeignet. Aber gerade darauf kommt es doch
an.