Dôgen erläutert, dass zum
umfassenden Wissen und Erkennen der Buddha-Natur mehr als nur der Verstand und
das logische Denken notwendig sind. Wir sollten die Buddha-Natur vielmehr praktizieren, sie erfahren, lehren und wieder aus
unserem Gedächtnis verschwinden lassen. Hierzu zitiert er Gautama Buddha:
„Wenn wir die Bedeutung der
Buddha-Natur (umfassend) kennen wollen,
sollten wir die wirkliche Zeit, die Ursachen und Umstände genau bedenken.
Wenn die Zeit gekommen ist,
manifestiert sich die Buddha-Natur vor uns.“[i]
sollten wir die wirkliche Zeit, die Ursachen und Umstände genau bedenken.
Wenn die Zeit gekommen ist,
manifestiert sich die Buddha-Natur vor uns.“[i]
Gerade das praktische
Handeln hebt Dôgen in diesem Kapitel in besonderer und – wie ich meine – einzigartiger Weise hervor. Es geht
dabei nicht zuletzt um den Augenblick –
also die wirkliche Zeit –, in dem die Realität, das heißt „solches Lehren,
Praktizieren, Erfahren, Vergessen, falsch Verstehen, nicht falsch Verstehen“, stattfindet.
Damit wird der Bedeutungsumfang der Buddha-Natur auf das ganze menschliche Leben erweitert, und auch Missverständnisse und Fehler
werden explizit einbezogen. Die wahre Sein-Zeit zu bedenken, bedeutet im
Augenblick zu handeln und die jeweiligen Gegebenheiten des Handelns von Ort und
Zeit zu benutzen, die für die Buddha-Natur maßgeblich sind.
Wenn es im oben zitierten
Gedicht Buddhas heißt, dass wir die wirkliche Zeit, die Ursachen und Umstände
bedenken sollten, geht es gerade nicht um die Trennung von Subjekt und Objekt auf der Denkebene, bei der ein
denkendes Subjekt, zum Beispiel ein Mensch, beispielsweise über die Zeit oder
ein Objekt nachdenkt. Die von Dôgen angesprochene umfassende Reflexion darf
daher nicht mit dualistischem Denken verwechselt
werden, sondern sie muss als Tun und Verwirklichen im Augenblick hier und jetzt
verstanden werden.
Die wahre Reflexion
„ist die Einheit der wirklichen Zeit
und der Ursachen und der Umstände selbst. Sie ist die Transzendenz (der
gewöhnlichen Vorstellung) von Ursachen und Umständen. Es ist die Buddha-Natur
selbst“,
sagt Dôgen. Eine solche
Buddha-Natur hat keine eigenständige
Substanz, ist keine eigene Einheit oder Entität und schon gar kein gedachtes
Objekt. Sie ist „Buddha als Buddha selbst
und ist die natürliche Funktion als natürliche Funktion selbst“. Buddha
können wir hier einfach als Wahrheit und Wirklichkeit verstehen und nicht nur
als die historische Person Gautama Buddha. Die natürliche Funktion verweist auf
natürliches Handeln und ist gerade keine dingliche Einheit wie ein Gegenstand
oder auch ein Atom. Gleichzeitig ist damit eine Aufgabe in der Gesellschaft gemeint.
Im Folgenden untersucht Dôgen
detailliert die dritte Zeile des Gedichtes – „Wenn die Zeit gekommen ist“ – und arbeitet dabei heraus, dass diese
Aussage seit alten Zeiten häufig falsch verstanden
wurde. Keinesfalls ist damit gemeint, dass wir auf etwas warten, was sich in Zukunft ereignen wird und für das wir
vielleicht jetzt in der Gegenwart arbeiten. Wir sollen also nicht auf die
Buddha-Natur warten und denken, dass sie sich in Zukunft vor uns manifestieren
wird.
„Wenn sie mit dieser Haltung ihre
Praxis fortsetzen (denken sie fälschlich, dass) sie auf natürliche Weise der
Zeit begegnen, wenn die Buddha-Natur vor ihnen manifest ist.“
Solche Menschen gehen laut
Dôgen davon aus, dass in der Gegenwart die Zeit der Buddha-Natur noch nicht gekommen ist und dass sie
erst in Zukunft zu erwarten ist. Er hält es zwar für möglich, dass sie durchaus
aufrichtig nach der Wahrheit streben, aber sie haben eine ungenaue oder falsche
Einstellung und eine sehr unklare Vorstellung von der Buddha-Natur.
Ihr Leben mag vielfältig und
farbig sein, aber es fehlt die spirituelle
Tiefe, die sich immer in der Gegenwart verwirklicht. Solche Menschen mögen
auch die Natur genießen und zum Beispiel die Sterne und die Milchstraße
bewundern, aber sie kommen über eine naturalistische Lebensphilosophie nicht
hinaus.