Buddha berichtet die
Geschichte des Dämons Mara, um den es in diesem aussagekräftigen Gleichnis als
Wild-Fütterer geht und der unserem Teufel gleicht. Dieses Gleichnis ist aus meiner Sicht
besonders treffend für die Praxis gerade unseres heutigen Lebens in einer
gefährlichen Welt. Wir werden ohne Zweifel immer wieder von gefährlichen
Menschen und Mächten bedroht. Wie können wir uns dabei schützen, wo lauern
unbekannte Gefahren und wie können wir mit Klugheit und Klarheit unser Leben verbessern?
Es
geht darum, dass eine Herde von harmlosen und edlen Wildtieren, wie zum Beispiel
Rehe oder Hirsche, vom bösen Mara nur gefüttert werden, um sie in die Falle zu
locken, zu fangen und zu töten. Er lockt sie an eine bestimmte Stelle im Wald
und sie finden dort köstliches Futter, das der gefährliche Dämon Mara dort absichtlich
gestreut und ausgelegt hat. Sein Ziel ist es die Tiere der Herde auf diese
Weise zu fangen, zu töten und zu fressen. Er ist also kein Wildhüter, der den
Tieren hilft, sondern das Gegenteil, nämlich ein gerissener Fallensteller und
Wilderer, der die Tiere fangen und töten will.
Buddha
unterscheidet in diesem Gleichnis nun vier
verschiedene Verhaltensweisen der Tiere, je nach dem, wie sie sich zu dem
ausgelegten Futter locken lassen oder nicht und welche List Mara anwendet, um
sie zu fangen.
„Da kam ein erstes Rudel angelockt von dem
ausgestreuten Futter, fraß es unbedacht, wurde nachlässig und unvorsichtig und
konnte deshalb dem Machtbereich des Wild-Fütterers nicht entgehen.“
Das
erste Rudel wird also so beschrieben, dass es keine Selbststeuerung und
Selbstkontrolle hatte, sich sofort ungebremst an dem Futter erfreute, nicht
weiter darüber nachdachte, ob es gefährlich war und wie es für sie weiter ging
und so dem Dämon erlag.
„Ein zweites Rudel merkte, wie es dem ersten ergangen
war und wollte es nicht ebenso machen. Es hielt sich deshalb von dem
ausgestreuten Futter ganz fern und zog sich in die Wildnis zurück. Im letzten
Sommermonat aber, als Gras und Wasser vertrockneten, wurden die Tiere äußerst
mager und verloren ihre Widerstandskraft.“
Sie
konnten durch diese Schwächung der Verlockung des ausgestreuten Futters nicht
widerstehen, weil es für sie auch keine Alternative mehr gab, überhaupt zu
überleben. Es kam wie es kommen musste: Mara brachte sie in seine Gewalt; sie
hatten keine Chance! Wie könnte nun das dritte Rudel der tödlichen Gefahr
entgehen?
„Ein drittes Rudel merkte, wie es den beiden
anderen ergangen war und wählte deshalb seinen Standort zwar in der Nähe des
ausgestreuten Futters, fraß das Futter aber bedachtsam, wurde nicht nachlässig
und nicht unvorsichtig.“
Zunächst
war diese Strategie erfolgreich, weil Mara nicht wusste, dass das Rudel sich
nun direkt an der Stelle der Fütterung aufhielt und schnell bei Gefahr
reagieren und sich in Sicherheit bringen konnte. So ging Mara sehr zu seinem
Ärger ins Leere. Er sann auf List. Durch diese Misserfolge angestachelt,
untersuchte er das Verhalten des Rudels sehr genau und stellte fest, dass es
sich unmittelbar in der Nähe des Futterplatzes aufhielt und von dort aus dann
zum Futter vorkam, wenn die Luft rein war. Mara dachte:
„Dieses dritte Rudel ist schlau und verschmitzt. Es
ist wie verhext. Die Tiere fressen das Futter und wir wissen nicht, woher sie
kommen und wohin sie gehen.“
Er
errichtete mit seinen Gesellen heimtückisch einen Holzzaun um den Aufenthaltsort
dieses Rudels und brachte sie damit ebenfalls in seine Gewalt. Auch hier war er
also erfolgreich. Und das Rudel fiel ihm zum Opfer.
Buddha
fuhr dann fort: Ein viertes Rudel merkte, wie es den anderen ergangen war und
wollte nicht so handeln wie die anderen. Es wählte einen Standort dort, wohin
der Wild-Fütterer und seine Gesellen keinen
Zugang hatten.
„Die Tiere ließen sich von dem ausgestreuten leckeren
Futter nicht anlocken, fraßen es nicht unbedacht, wurden nicht nachlässig und
nicht unvorsichtig und ließen sich nicht fangen.“
Mara
hatte nun seine Möglichkeiten ausgeschöpft, denn er konnte um den Standort
dieses Rudels keinen Zaun errichten, weil er den Ort nicht kannte und keinen
Zugang hatte. Mara und seine Gesellen kamen zu dem weisen Schluss: „Kümmern wir uns also nicht mehr um dieses
vierte Rudel!“ Es gebe auch andere Rudel, die leicht zu fangen seien. Sie
verloren das Interesse an dem geschickten unauffälligen vierten Rudel. Und tatsächlich
kümmerten sich die Wild-Fütterer und seine Gesellen dann nicht mehr um das
vierte Rudel, und so konnte dieses dem Machtbereich des Maras entgehen.
Es
liegt auf der Hand, dass sich Buddhas Geschichte direkt auf unser eigenes praktisches
Leben mit seinen Gefahren und auch seinen Feinden bezieht. Wenn man sich den
Verlockungen hingibt und die Selbststeuerung verliert, hat man nur geringe
Chancen gut zu leben und zu überleben. Besonders muss aus psychologischer Sicht
unterstrichen werden, dass sich derartige unkontrollierte Verhaltensweisen beim
Menschen mit der Zeit immer mehr verfestigen und immer mehr zur unbewussten und
unkontrollierten Sucht werden können. Dies gilt natürlich besonders für
Suchtmittel wie Drogen, Alkohol, Glücksspiel, aber auch für Sex, Überernährung,
ungesundes Essen und Bewegungsmangel.
Aber
auch die total entgegengesetzte Lebensweise der Askese und der überzogenen
Entsagung bringt nichts, weil dadurch Körper und Geist soweit geschwächt
werden, dass irgendwann der Widerstand und die Lebenskraft aufgebraucht sind
und dass es dadurch zu Abhängigkeit und Aufgeben der Selbststeuerung kommt.
Die
mittlere obige Strategie der Tiere, die aber zu durchsichtig ist und von den listigen
Gegnern durchschaut werden kann, bringt wenig, weil diese dann an der empfindlichen
Stelle angreifen und ihre Opfer in ihre Gewalt bringen können.
Die
vierte Alternative ist die erfolgreiche! Sie bezeichnet den Mittleren Weg, der
die Extreme der ungesteuerten Genusssucht
und der Askese vermeidet und auch keine durchsichtigen Manöver zum eigenen
Schutz ergreift. Die vierte Gruppe entwickelt und realisiert eine geschickte
und wirksame Strategie in der Situation und überlebt
unbeschadet. Dabei ist es besonders wichtig, dass der Gegner die eigene
Strategie nicht durchschauen kann, sodass er schließlich von seinem Vorhaben ablässt
und sich anderen für ihn interessanteren und vorteilhaften Aktivitäten zuwendet.
Böse Akteure haben selten Geduld und Ausdauer. Das ist der gute mittlere Weg.
Ich
möchte hinzufügen, dass ich die obige Strategie im Berufsleben mehrfach angewendet
habe. Und zwar mit Erfolg.